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Kultur – ein Luxus? Nein, ein Menschenrecht!

Wir befinden uns nun im achten Monat der Pandemie, einer Pandemie, die uns sehr viel länger beschäftigt, als wir alle anfangs wahrhaben wollten und für viele Kulturtreibende, insbesondere natürlich die Selbstständigen, ist die Lage mittlerweile sehr ernst.
Immer mehr von ihnen beginnen, sich beruflich neu zu orientieren, sich Alternativen zu suchen, neue Wege zu beschreiten, bevor die Demütigungsmaschinerie Hartz 4 sie verschlingt.

Doch auch die Festangestellten spüren mittlerweile, wie ihnen die Lage immer mehr entgleitet.

Wie sich in den letzten Wochen gezeigt hat, hilft es absolut nichts, wenn wir uns in aller Breite in unserer Social Media-Blase auskotzen – das nehmen nicht nur die Politiker sondern auch die meisten Menschen da draussen gar nicht wahr, wir kreisen nur verbal um uns selbst.

Ich bin persönlich auch nicht im geringsten überrascht von der Unkenntnis der Verhältnisse, der Lebensrealitäten der Kulturschaffenden seitens der politischen Klasse – der Bundestag besteht zu fast der Hälfte aus nur drei Berufsgruppen: Anwälte, Politik- und Wirtschaftswissenschaftler, also Berufen, die von unserem Alltag auch finanziell gar nicht weiter entfernt sein könnten.

Ebensowenig ist es hilfreich, der Gesellschaft mit Liebes- , sprich: Musikentzug zu drohen: Die einzigen, die wir damit bestrafen sind diejenigen, die in besseren Zeiten unsere Veranstaltungen besuchen!

Das einzige, dass wir nun noch aus eigener Kraft tun können, ist, zu zeigen dass wir immer noch da sind!

Dass wir relevant nicht nur im Leben unserer Fans sind, sondern relevant für eine Gesellschaft, die sich einmal durch Bildung und Kultur definiert hat, seit den katastrophalen „Reformen“ des Jahres 2003 jedoch immer weiter auseinanderdriftet, immer mehr zu einem brutalen jeder-gegen-jeden verkommt.

Denn hier liegt das große, das zentrale Problem unserer Gesellschaft: Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird unsere Gesellschaft sich genau dahin entwickeln, wo sich die USA ausweislich der Vorgänge rund um die 2020er Wahl bereits befinden: Auf dem Weg zurück ins finstere Mittelalter, in eine Gesellschaft ohne Bildung, ohne Kultur, ohne jegliche Empathie und vor allem ohne etwas, das vielen nicht einmal mehr als Wort ein Begriff ist: Herzensbildung.

Denn was ist der Mensch ohne höhere Bildung, ohne Kultur, ohne all das schöne im Leben?
Gewiss, er kann existieren. Aber was ist das für eine Existenz, die das Schöne nicht mehr kennt, all das, was unser Leben besonders, einzigartig macht, die ihre Berechtigung nur noch nach wirtschaftlichem Erfolg, nach Statussymbolen bemisst?

Längst bewegen wir uns in Deutschland mit Siebenmeilenschritten in diese Richtung, wird zum Beispiel Kindern arbeitsloser Eltern ein höherer Schulabschluss verweigert, weil sie möglichst rasch dem Arbeitsmarkt (lies: dem Niedriglohnbereich) zur Verfügung stehen sollen.

Doch nicht nur dies: Schon in der Kindheit wird eben diesen Kindern der Zugang zur Musik verweigert, weil der Musikunterricht immer mehr zum Auslaufmodell wird, weil Musik im öffentlichen Raum immer öfter zu billigster Unterhaltung verkommt.

Doch was könnte wichtiger sein, als Kindern alle Möglichkeiten der Bildung in allen Bereichen, also auch der kulturellen Bildung zu bieten?

Es sei hier eine persönliche Anmerkung gestattet: Ich stamme aus einer, vorsichtig ausgedrückt, komplizierten Familie.
Die Musik war mein Lebensretter, mein Strohhalm, an den ich mich klammern konnte in den verzweifelten, hoffnungslosen Momenten meiner Kindheit.
Ohne Musik wäre mein Heranwachsen überhaupt nicht denkbar gewesen – und es ist ja nicht so, dass die Lebensumstände der heutigen Kinder einfacher geworden wären, verglichen mit den 70er Jahren, in denen ich Kind war…..

So bin ich der festen Überzeugung, dass es unsere Aufgabe ist, die Untrennbarkeit von Bildung und Kultur wieder im öffentlichen Bewusstsein zu verankern – und wir werden es zu Fuss tun müssen, denn wenn wir uns dabei auf unsere Politiker verlassen…..an dieser Stelle versage ich mir zu schreiben, was ich denke!

Und wir, wir alle müssen uns unseren Platz in der Mitte der Menschen wieder erobern, müssen nah bei den Menschen sein, nah bei ALLEN Menschen, unabhängig von Herkunft oder gesellschaftlicher Position.

Denn die Agenda 2010 hat ein gesellschaftliches Vakuum geschaffen, die Gesellschaft in Deutschland tief gespalten in verschiedene Gruppen, die in ständiger Unsicherheit um ihren Platz in der Gesellschaft und ihr kleines privates Stück vom Glück leben.

Und genau hier liegt nun, nein, nicht unsere Chance, sondern unsere Pflicht!
Denn unsere Pflicht, unsere Aufgabe als Musiker ist es, zu geben.

Wir sind diejenigen, die die Lebenswirklichkeit schön, oder wenigstens hin und wieder erträglich machen können, wenn es mal wieder besonders schlimm ist; die den Menschen vermitteln können, dass es da draussen in all dem Chaos eben doch noch etwas schönes gibt, dass einem wieder Mut gibt, weiterzumachen!

Und nicht nur sind wir viele, nicht nur sind wir ein wichtiger Wirtschaftsfaktor – wir sind diejenigen, die den Menschen jenes Glück geben können, dass ihnen in ihrem Alltag immer mehr vorenthalten wird, in einem Alltag, der immer mehr zu einem nicht enden wollenden Rennen ums Überleben wird.

Und wenn wir es nicht tun? Dann gibt es da draußen immer noch Netflix, Spotify, YouTube, Apple Music, Amazon Music und viele andere, die längst ein gnadenloses Zerstreuungskartell gebildet haben.

Lasst uns also alle zusammen aus dieser Welt eine bessere machen, auch wenn wir dabei immer wieder auf Widerstände stossen werden – das Ziel ist viel zu gross, um sich von den Dornen auf dem Weg aufhalten zu lassen!

Kai Adomeit, 09.11.2020

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