Musiker in Zeiten von Corona

Ich bin Musiker.

Ich bin Pianist und ich bin arbeitslos, weil das Coronavirus verhindert, dass ich Konzerte geben kann.

Ich kann keine Konzerte geben, nicht hier in Deutschland und nirgendwo anders, weil die Grenzen geschlossen sind, weil die Behörden Veranstaltungen verboten haben, weil Konzertsäle, Opernhäuser, Theater, Musikschulen und -Hochschulen hermetisch geschlossen sind.

An all dem aber ist nichts falsches, denn: Ich bin gesund. 

Aber: Bin ich gesund? 

Ich könnte Corona in mir tragen, ohne es zu wissen, da ja viele die Infektion ganz ohne Symptome durchmachen. 

Ich könnte in die weiterhin geöffneten Cafés und Restaurants gehen, mich unter die Leute mischen, jetzt, da ich nicht weiss, wann ich meiner Arbeit wieder werde nachgehen können, da ich es mir mal erlauben könnte, etwas weniger diszipliniert zu leben. 

Aber ich tue es nicht. 

Weil ich immer versucht habe, ein verantwortungsvoller Mensch zu sein (einmal, ein einziges Mal, habe ich mich aus falsch verstandenem Pflichtbewusstein nicht daran gehalten. Meine Kollegen haben den Moment bis heute nicht vergessen, in dem ich zu Anfang einer CD-Aufnahme bewusstlos vom Klavierstuhl gefallen bin – als ich wieder wach wurde, hatte einer meine Füsse in der Hand und ein anderer versuchte, mich wiederzubeleben!). 

Auch, weil meine Gesundheit immer ein kompliziertes Thema in meinem Leben war. Also bleibe ich zu Hause, versuche, sowenig Menschen wie möglich zu treffen und so wenig Risiken wie möglich einzugehen. 

Ja, es ist hart, sehr hart! 

Auch, weil ein freischaffender Musiker wie ich nicht wissen kann, wann er wieder Geld verdienen wird, denn die Kosten – Miete, Essen, Lebenshaltung, bei vielen auch: Kredite, laufen natürlich immer weiter.

Und ich bin ja nicht allein: Meine grossartige Frau (die, nebenbei gesagt, die viel bessere Musikerin von uns beiden ist, viel disziplinierter und strukturierter, als ich es je sein werde), die eine sehr aktive, aber eben auch freischaffende Harfenistin ist, ist in gleicher Weise beruflich stillgelegt wie ich es bin.

Aber es muss eben sein.

Es muss sein, weil wir alle eine Verantwortung tragen, für unsere Partner, unsere Familien, unsere Freunde und, nicht zuletzt, für das grosse Ganze, für die Menschen, die uns umgeben, die Alten und Schwachen, die durch Corona besonders gefährdet sind.

Und wir tragen auch die Verantwortung dafür, daraus zu lernen!

Wir tragen zukünftig die Verantwortung, unsere politisch Verantwortlichen daran zu erinnern, was damals war, im Frühjahr 2020, als sich herausstellte, dass ein Gesundheitssystem durch private Shareholder und deren Renditeerwartungen eben nicht gestärkt wird, dass es keinen Sinn macht, ein Pflegesystem personell auf Kante zu besetzen, weil Gesundheitsvorsorge und Pflege im Notfall nämlich die erste Verteidigungslinie gegen das Chaos sind!

Wir tragen – ist das wirklich nur meine Meinung? – die Verantwortung dafür, eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen, endlich mit den ewig gleichen Lippenbekenntnissen aufzuhören und eine Gesellschaft zu schaffen, in der jeder in Anstand und Würde leben kann und auf niemandes Gnade angewiesen ist!

Nein, ich bin kein „linker“.

Ich bin übrigens auch kein „rechter“

Noch bin ich „konservativ“ und schon gar nicht rassistisch oder ausgrenzend. Jeder Mensch – welcher Orientierung, Hautfarbe, Herkunft er auch sein mag, ist mir recht solange er mit mir in gleicher Weise respektvoll umgeht, Auseinandersetzungen über unterschiedliche Meinungen natürlich immer gerne inbegriffen!

Aber ich sehe immer mehr Flaschensammler und Obdachlose (dies ist auch statistisch bestätigt), und das ist für mich als Mensch inakzeptabel.

Machen wir also alle das beste aus dem, was uns da gerade so durchschüttelt! 

Lasst uns nach unseren kreativen Kräften suchen und in den heimischen vier Wänden nach neuen Wegen des Umgangs miteinander suchen. 

Achtet auf euch und geht achtsam miteinander um – wir sollten alle die Krise nutzen, um vielleicht auch verschüttete Kommunikationswege und vergessene Freundschaften wiederzubeleben, das verdammte Handy kann tatsächlich neben Spielen und Navigation auch noch zum Telefonieren dienen! 

Ach ja: Bei all dem geht es nicht um mich als Person. 

Ich habe in meinem Leben mehr Schmerzen, mehr Trauer und, auch das, mehr Verzweiflung erlebt, als ich es meinem schlimmsten Feind wünschen würde. 

Ich bin nicht wichtig. Aber wir alle zusammen sind es!

Ich umarme euch alle aus der Ferne!

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