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Warum Schubert?

Warum Schubert?

(Ausschnitte aus einem Gespräch mit dem amerikanischen Musikjournalisten David Richards im Januar 2018)

DR: Kai Adomeit, warum Schubert? Warum alles? Und warum auch noch alles 4-händige?

KA: Das ist eine merkwürdige Frage, warum denn nicht? Könnte es etwas wichtigeres geben als Schubert?

DR: Nun, die Zeit der zyklischen Aufführungen scheint doch vergangen zu sein, wenn man mal Andras Schiff und seine Beethoven-Sonaten beiseite lässt.

KA: Ach, wissen Sie, ich habe mich immer schon nicht sehr dafür interessiert, was „man“ macht. Ich spiele Musik ja nicht um des eigenen Vergnügens willen (wenngleich das natürlich auch eine – kleine! – Rolle spielt), sondern weil ich den inneren Drang spüre, mich mit bestimmten Werken und Komponisten auseinanderzusetzen.

Schubert war eine logische Fortführung von Haydn und Beethoven…

DR: …die sie auch vollständig aufgeführt haben, aber fehlt in der Reihe nicht Mozart?

KA: Nun, aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben! Mozart wird bestimmt noch kommen! Aber es ist tatsächlich so, dass der Haydn-Zyklus damals, 2010, aus einer tiefen inneren Krise heraus entstanden ist, in einer Zeit, in der ich alles, was ich bis dahin gemacht hatte in Frage stellte und in der mir sehr unerwartet der Beethoven-Zyklus angetragen wurde. 

Ich habe mich damals sehr lange mit dem Gedanken beschäftigt und festgestellt, dass das was ich wirklich machen wollte….Haydn war!

DR: Das erstaunt mich etwas, aus den USA habe ich Sie eher als Pianisten für die romantische Virtuosenmusik in Erinnerung: Liszt, Rachmaninov, Chopin, Godowsky…

KA: Völlig richtig! Nun ist es zum einen so, dass es den Veranstaltern wichtig ist, dem Publikum ein „attraktives“ Programm zu bieten – und dazu gehören eben auch Werke wie die Tannhäuser-Ouverture in der Liszt-Bearbeitung.

Zum anderen war ich damals viel jünger – damals konnte ich mir ein reines Haydn-Programm nicht einmal vorstellen!

Wenn man jung ist, will man wohl immer etwas beweisen auf dem Instrument.

DR: Wie kann man sich, um den Titel aufzugreifen, den pianistischen Unterschied, etwa zwischen der Tannhäuser-Ouverture und einer Haydn- oder Schubert-Sonate vorstellen?

KA: Weniger Noten – aber keineswegs leichter! Bei Liszt kann ihnen auch einmal ein Lauf verrutschen ohne dass das groß auffällt. Bei einer Haydn-Sonate hört jeder, wenn ein Dreiklang verrutscht!

DR: Und dann das grösste Extrem, Schubert?

KA: Zu Schubert bin ich im Grunde gekommen, wie die Jungfrau zum Kind: Natürlich hatte Schubert schon sehr lange eine wichtige Rolle für mich gespielt. 

Wie Sie ja wissen, habe ich bei einem großen Schubert-Exegeten, Paul Dan, studiert. Doch habe ich selbst bis zu meinem 45.Geburtstag nur die kleine A-Dur Sonate (D 664) öffentlich aufgeführt….

DR: ….Sie haben nicht wenigstens eine der späten Sonaten studiert? 

KA: Gehört, natürlich, gelesen, sehr oft! Aber mein Lehrer hatte mich bei seinem letzten Klavierabend (bevor er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr auftreten konnte) mit der großen B-Dur Sonate (D 960) so erschüttert, mich mit einer wirklich vollkommenen Interpretation derart buchstäblich aus der Bahn geworfen, dass ich mich zwar immer wieder intensiv mit Schubert beschäftigt habe, aber nie den Mut hatte damit auf die Bühne zu gehen – ich fühlte mich dem einfach nicht gewachsen.

DR: Nicht einmal die so populären, eher einfachen Impromptus oder Moments musicaux? Ich habe doch einmal das Moment musical in f-moll von Ihnen….

KA: ….als Zugabe gehört, richtig! Aber das waren Ausnahmen. Gerade die vermeintlich so einfachen Impromptus sind ja Werke voll innerer Dramen, die sich trotzdem innerhalb eines strengen formalen Rahmens bewegen. Natürlich ist es einfach, den reinen Notentext zu spielen, aber das was hinter den Noten stattfindet braucht eben Zeit.

DR: Die jetzt gekommen ist?

KA: Ja! Zumal ich ja nicht in einem Moment damit beginne, in dem Schuberts Klavierwerk an jeder Ecke zu hören wäre. Die zentralen Werke werden natürlich und Gott sei Dank immer wieder im Konzert aufgeführt. Aber wann hört man schon die frühen Sonate, die Fragmente, die Fantasien ausser der Wanderer-Fantasie….

DR: …es gibt noch mehr?

KA: Aber sicher, die sogenannte „Grazer Fantasie“ D 605a und ein ganz frühes Werk, D2E, Schuberts erstes zweihändiges Klavierwerk überhaupt!

DR: Ist ihr „ganzer Schubert“ denn wirklich der ganze Schubert?

KA: Ich gestehe: Nein! Schubert hat eine Unmenge an Tänzen hinterlassen, Walzer, Ländler und sonstige Modetänze der damaligen Zeit. Das meiste davon ist wirklich schöne Musik, im ganzen gespielt aber doch sehr ermüdend und wohl auch nie für den Konzertsaal sondern eher für die Tanzfläche gedacht

DR: Nicht einmal als Aufnahme?

KA: Ich bewundere Michael Endres und Michel Dalberto grenzenlos dafür, dass sie sich in diese Musik so hineinversetzt haben, aber es genügt mir, zumindest vorerst, diese Stücke für mich allein zu genießen.

DR: Also spielen Sie sie schon?

KA: Ich spiele jede gute Musik! Warten wir doch einfach ab, vielleicht wache ich irgendwann auf und spüre, dass ich alle Schubert-Tänze spielen muss! Ich sage niemals nie…

DR: …….ausser zu Busoni?..

KA: …weil ich manche Werke nicht greifen kann, ja. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

DR: Aber sonst alle Originalwerke?

KA: Ja. Wobei „Original“ ein schönes Stichwort ist. Natürlich liebe ich die Lisztschen Liedbearbeitungen der Schubert-Lieder, aber meine grösste Schwäche gilt einer völlig vergessenen Bearbeitung, nämlich der 5.Symphonie in B-Dur in der Klavierfassung von Jan Brandts-Buys.

DR: Zu 4 Händen?

KA: Nein, nein, für 2 Hände! Natürlich bekommt man den luziden Klang des Schubertschen Orchesters so nicht hin, aber es macht einfach Spass, dass zu spielen! Doch zum Original zurück: Alles außer den Tänzen, also die Fantasien, die Variationen, die Impromptus, die Moments musicaux und die Sonaten….

DR: …..wie führen Sie eigentlich die Sonaten auf? Welche Vervollständigungen der Fragmente spielen Sie?

KA: Das war für mich lange eine spannende Frage. Inzwischen bin ich an einem Punkt, an dem ich sage: Ich spiele nur das, was zweifelsfrei von Schubert selbst stammt. Wenn zum Beispiel nur analog zu vorhergehenden Stellen Begleitfiguren zu einer von Schubert selbst niedergeschriebenen Melodie zu vervollständigen sind wie zB im letzten Satz der Sonate f-moll (D 625), wenn also der Herausgeber nur reine Schreibarbeit nachgetragen hat spiele ich das natürlich. 

Ich bewundere auch zB sehr die Vervollständigung der „Reliquie“-Sonate (D 840) durch Ernst Krenek, habe aber immer wieder das Gefühl, dass Schubert hier genau wusste, warum er die Sonate letzlich aufgab. 

Etwas anders liegt der Fall im ersten Satz der schon erwähnten f-moll Sonate. Hier höre ich an der Stelle auf, an der Schubert aufhörte zu komponieren. Die Ergänzung des Satzes durch Paul Badura-Skoda ist zwar faszinierend, aber mir persönlich fehlt hier einfach etwas. Hat Schubert nicht vielleicht doch eine eine weiter gefasste Durchführung, wie er sie etwa in der letzten Sonate (D 960)  komponierte im Sinn gehabt, um sehr viel später in eine echte Reprise in der Ausgangstonart zurückzukehren? 

Das ist aber eine rein subjektive Entscheidung, ich masse mir nicht an im Besitz einer Antwort auf eine Frage zu sein, die nur Schubert selbst hätte beantworten können.

DR: Diese Probleme spielen bei den 4-händigen Werken aber eher eine untergeordnete Rolle?

KA: Gar keine. Die Werke zu 4 Händen sind musikwissenschaftlich unproblematisch.

Ist bei den Klaviersonaten in einigen Fällen nicht einmal völlig klar, welche Sätze zusammengehören, sind die wenigen Textprobleme der 4-händigen Werke einfach zu lösen. Der Anmerkungsapparat der modernen Urtextausgaben ist da natürlich auch sehr hilfreich.

DR: Ich würde gerne noch einmal auf meine Frage zurück kommen: Warum? Die 2-händigen Werke sind doch schon recht umfangreich…

KA: Tatsächlich sind die 4-händigen Werke noch umfangreicher, wenn man die reine Spielzeit betrachtet. Statt acht, wie bei den Solowerken, werden es nach dem derzeitigen Stand der Planung wohl neun 4-händige Abende werden.

DR: Ja, aber…

KA: Ich weiss schon: Warum denn alles? Zum wiederholten Mal: Warum nicht? 

Wissen Sie, Sie sind ja nicht der erste, der diese Frage stellt. Ich halte es aber für wichtig, dass es die Chance gibt, auch die weniger gespielten Werke eines Komponisten im Konzert zu hören! Werke wie die f-moll Fantasie, den berühmten Militärmarsch in D-Dur oder „Lebensstürme“ werden Sie mit Sicherheit auch in anderen Konzerten hören. Aber der Rest? 

Ich weiss nicht, wann ich das letzte Mal das “Grand Divertissement hongrois“ (D 813)  auf einem Konzertprogramm gesehen habe, aber es ist definitiv schon eine Weile her – und ich will ja auch nicht jedesmal 300 km fahren! Sicher, Sie können sich jedes Werk über Apple Music oder Spotify anhören, aber „live“ ist doch etwas ganz anderes!

DR: Ihre Partnerin in den 4-händigen Werken ist eine Studienkollegin….

KA: Fast! Asli Kilic hat beim selben Lehrer studiert – aber einige Jahre später! 

Es war eine schöne Überraschung, dass sie sich auf ein solches Monsterprojekt eingelassen hat, schliesslich ist sie eine vielbeschäftigte Pädagogin und Pianistin und all diese Stücke wollen ja nicht nur geübt, sondern auch zusammen geprobt werden! 

DR: Haben Sie schon länger als Duo gespielt?

KA: Nein, wir hatten uns im Gegenteil für einige Jahre etwas aus den Augen verloren bevor ich sie in einem Konzert fragte, ob sie nicht Lust auf die 4-händige Beethoven-Sonate (Op.6) hätte, mit der ich meinen Beethoven-Zyklus vervollständigen konnte.

DR: Spielen Sie denn mit einer festen Stimmverteilung?

KA: Nein, ich wollte mich von Anfang an in primo und secondo abwechseln. Bisher bekommen wir das auch ohne Probleme hin, es ist uns, glaube ich, eher unwichtig wer oben und unten spielt.

Die Musik gibt das auch gar nicht her. Es gibt wohl keine uneitlere Musik als die von Franz Schubert!

DR: Sie werden also Schubert mit ihr weiterführen?

KA: Ich hoffe es doch sehr!

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