Alltag und Ideale

Wenn wir jung sind, brennt unser Geist, brennen unsere Träume und Wünsche mit der Intensität einer Lötlampe.

Dann beginnt der Ernst des Lebens: Studium, Praktikum, die erste Stelle und – vielleicht – das erste eigene Unternehmen oder die erste Chefstelle.

Wir stürzen uns in die Arbeit und finden uns doch mit einem Mal an einem Punkt, an dem es nicht mehr weitergeht, an dem das Ende aller Ideen gekommen ist und wir nur noch den grauen Alltag zuende bringen, gefangen in den Zwängen des alltäglichen Weiterlebens und der Verantwortung für uns und andere.

Doch bleibt eine leere Stelle in uns, eine unerfüllte Sehnsucht, denn wir haben unseren Traum verloren.

Wir vergessen vor lauter Alltagsgeschäft, in die Zukunft zu schauen. Wir denken von Tag zu Tag, planen von Monat zu Monat und entwerfen Ideen von Vierteljahr zu Vierteljahr – aber wir vergessen darüber unsere großen Ideen, mit denen wir einst angetreten sind, die Welt zu verändern.

Wir sind so sehr damit beschäftigt, Geld zu verdienen um die Büromiete, die Steuern, das nächste Auto zu bezahlen, dass wir uns selbst und unsere Ideale unter einem großen Haufen von Entschuldigungen begraben.

Wir begraben Entschlüsse unter einem Berg von Konferenzen und Meetings, auf denen sie von Bedenkenträgern und Erbsenzählern solange zerredet werden, bis aus einer brillanten Idee ein farb- und geschmackloser Brei geworden ist.

Aber irgendwann kommen wir an einen Punkt, an dem unsere Träume und der farblose Brei einander ausschließen, an dem die eine Entscheidung zuviel getroffen wird, die eine Tür zuschlägt.

Und es ist genau diese eine Tür, deren Sich-schließen wir rückblickend am meisten bedauern – und auch am meisten bedauern sollten.

Ich will ein Beispiel nennen: Als Steve Jobs den Gedanken hatte, der zur Entwicklung des iPod führte, existierten nicht eimal alle dafür notwendigen Technologien.

Wäre Jon Rubinstein, von Jobs beauftragt, nicht zufällig über eine neu entwickelte Mini-Festplatte gestolpert, für die deren Hersteller keine rechte Verwendung hatte, hätte der iPod vielleicht nie das Licht der Welt erblickt.

Hätte Jobs nicht wochenlang das Designteam um Jony Ive mit immer neuen Wünschen fast in den Wahnsinn getrieben, wäre das ikonische Design – und wer kommt bei einem Alltagsgegenstand ausgerechnet auf die Farbe Weiß? – vielleicht so nie entstanden.

Jobs war ein Pedant, eine Nervensäge und, wie ich selbst miterleben durfte, der Inbegriff der Ungeduld. Aber seine visionären Ideen, sein Perfektionswahn haben die Welt verändert.

Und was die Marktforschung betrifft: Die hat Apple den Ruin vorausgesagt, als das iPhone auf den Markt kam…..

Wir müssen endlich aufhören, unsere Ideen, unsere Träume einer Gesellschaft unterzuordnen, die alles und jedes nur dem Diktat der Märkte und der Marktforschung unterwirft, die längst Moral durch Gier ersetzt hat und anstelle dessen eben dieser Gesellschaft den Spiegel vorhalten und ihr zeigen, was sie versäumt, wenn sie über Ideen lacht, die weit in die Zukunft weisen!

Wir müssen den Tunnel verlassen, in dem wir leben und dessen Wände uns, je länger wir uns in ihm bewegen, als die Grenzen des Machbaren erscheinen.

Denn wo die Grenzen sind, bestimmen wir selber, nicht jene, die glauben zu wissen, wo es langgeht.

Wir müssen aufhören, etwas zu versuchen anstatt es einfach zu tun. Wir müssen aufhören, uns dem „comme il faut“ zu unterwerfen und wir müssen auf die Menschen zugehen, ihre Herzen mit Freude füllen, anstelle ihnen das Gefühl zu geben, ständig überfahren oder ausgenutzt zu werden.

Denn sonst werden wir zu geistlosen Drohnen werden, die immer den einfachen, bequemen Weg gehen und verlernt haben, solange mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen, bis diese nachgibt.

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