Kultur – ein Luxus? Nein, ein Menschenrecht!

Wir befinden uns nun im achten Monat der Pandemie, einer Pandemie, die uns sehr viel länger beschäftigt, als wir alle anfangs wahrhaben wollten und für viele Kulturtreibende, insbesondere natürlich die Selbstständigen, ist die Lage mittlerweile sehr ernst.
Immer mehr von ihnen beginnen, sich beruflich neu zu orientieren, sich Alternativen zu suchen, neue Wege zu beschreiten, bevor die Demütigungsmaschinerie Hartz 4 sie verschlingt.

Doch auch die Festangestellten spüren mittlerweile, wie ihnen die Lage immer mehr entgleitet.

Wie sich in den letzten Wochen gezeigt hat, hilft es absolut nichts, wenn wir uns in aller Breite in unserer Social Media-Blase auskotzen – das nehmen nicht nur die Politiker sondern auch die meisten Menschen da draussen gar nicht wahr, wir kreisen nur verbal um uns selbst.

Ich bin persönlich auch nicht im geringsten überrascht von der Unkenntnis der Verhältnisse, der Lebensrealitäten der Kulturschaffenden seitens der politischen Klasse – der Bundestag besteht zu fast der Hälfte aus nur drei Berufsgruppen: Anwälte, Politik- und Wirtschaftswissenschaftler, also Berufen, die von unserem Alltag auch finanziell gar nicht weiter entfernt sein könnten.

Ebensowenig ist es hilfreich, der Gesellschaft mit Liebes- , sprich: Musikentzug zu drohen: Die einzigen, die wir damit bestrafen sind diejenigen, die in besseren Zeiten unsere Veranstaltungen besuchen!

Das einzige, dass wir nun noch aus eigener Kraft tun können, ist, zu zeigen dass wir immer noch da sind!

Dass wir relevant nicht nur im Leben unserer Fans sind, sondern relevant für eine Gesellschaft, die sich einmal durch Bildung und Kultur definiert hat, seit den katastrophalen „Reformen“ des Jahres 2003 jedoch immer weiter auseinanderdriftet, immer mehr zu einem brutalen jeder-gegen-jeden verkommt.

Denn hier liegt das große, das zentrale Problem unserer Gesellschaft: Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird unsere Gesellschaft sich genau dahin entwickeln, wo sich die USA ausweislich der Vorgänge rund um die 2020er Wahl bereits befinden: Auf dem Weg zurück ins finstere Mittelalter, in eine Gesellschaft ohne Bildung, ohne Kultur, ohne jegliche Empathie und vor allem ohne etwas, das vielen nicht einmal mehr als Wort ein Begriff ist: Herzensbildung.

Denn was ist der Mensch ohne höhere Bildung, ohne Kultur, ohne all das schöne im Leben?
Gewiss, er kann existieren. Aber was ist das für eine Existenz, die das Schöne nicht mehr kennt, all das, was unser Leben besonders, einzigartig macht, die ihre Berechtigung nur noch nach wirtschaftlichem Erfolg, nach Statussymbolen bemisst?

Längst bewegen wir uns in Deutschland mit Siebenmeilenschritten in diese Richtung, wird zum Beispiel Kindern arbeitsloser Eltern ein höherer Schulabschluss verweigert, weil sie möglichst rasch dem Arbeitsmarkt (lies: dem Niedriglohnbereich) zur Verfügung stehen sollen.

Doch nicht nur dies: Schon in der Kindheit wird eben diesen Kindern der Zugang zur Musik verweigert, weil der Musikunterricht immer mehr zum Auslaufmodell wird, weil Musik im öffentlichen Raum immer öfter zu billigster Unterhaltung verkommt.

Doch was könnte wichtiger sein, als Kindern alle Möglichkeiten der Bildung in allen Bereichen, also auch der kulturellen Bildung zu bieten?

Es sei hier eine persönliche Anmerkung gestattet: Ich stamme aus einer, vorsichtig ausgedrückt, komplizierten Familie.
Die Musik war mein Lebensretter, mein Strohhalm, an den ich mich klammern konnte in den verzweifelten, hoffnungslosen Momenten meiner Kindheit.
Ohne Musik wäre mein Heranwachsen überhaupt nicht denkbar gewesen – und es ist ja nicht so, dass die Lebensumstände der heutigen Kinder einfacher geworden wären, verglichen mit den 70er Jahren, in denen ich Kind war…..

So bin ich der festen Überzeugung, dass es unsere Aufgabe ist, die Untrennbarkeit von Bildung und Kultur wieder im öffentlichen Bewusstsein zu verankern – und wir werden es zu Fuss tun müssen, denn wenn wir uns dabei auf unsere Politiker verlassen…..an dieser Stelle versage ich mir zu schreiben, was ich denke!

Und wir, wir alle müssen uns unseren Platz in der Mitte der Menschen wieder erobern, müssen nah bei den Menschen sein, nah bei ALLEN Menschen, unabhängig von Herkunft oder gesellschaftlicher Position.

Denn die Agenda 2010 hat ein gesellschaftliches Vakuum geschaffen, die Gesellschaft in Deutschland tief gespalten in verschiedene Gruppen, die in ständiger Unsicherheit um ihren Platz in der Gesellschaft und ihr kleines privates Stück vom Glück leben.

Und genau hier liegt nun, nein, nicht unsere Chance, sondern unsere Pflicht!
Denn unsere Pflicht, unsere Aufgabe als Musiker ist es, zu geben.

Wir sind diejenigen, die die Lebenswirklichkeit schön, oder wenigstens hin und wieder erträglich machen können, wenn es mal wieder besonders schlimm ist; die den Menschen vermitteln können, dass es da draussen in all dem Chaos eben doch noch etwas schönes gibt, dass einem wieder Mut gibt, weiterzumachen!

Und nicht nur sind wir viele, nicht nur sind wir ein wichtiger Wirtschaftsfaktor – wir sind diejenigen, die den Menschen jenes Glück geben können, dass ihnen in ihrem Alltag immer mehr vorenthalten wird, in einem Alltag, der immer mehr zu einem nicht enden wollenden Rennen ums Überleben wird.

Und wenn wir es nicht tun? Dann gibt es da draußen immer noch Netflix, Spotify, YouTube, Apple Music, Amazon Music und viele andere, die längst ein gnadenloses Zerstreuungskartell gebildet haben.

Lasst uns also alle zusammen aus dieser Welt eine bessere machen, auch wenn wir dabei immer wieder auf Widerstände stossen werden – das Ziel ist viel zu gross, um sich von den Dornen auf dem Weg aufhalten zu lassen!

Kai Adomeit, 09.11.2020

Wenn ich zurückblicken werde..

Diesen Text schrieb ich einem guten Freund Mitte März 2020, ganz zu Beginn der Corona-Massnahmen, als wir alle noch kaum etwas über die Bedrohung wussten.

Manchmal blicke ich ein bisschen voraus: Durch meine Korrespondenz mit Apple-Entwicklern in Asien gewarnt, wies ich diesen Freund daraufhin, wir müssten uns Gedanken darüber machen, wie wir als Musiker auf den heraufziehenden Sturm reagieren sollen – dies Anfang Januar 2020, und sein Blick verriet deutlich, dass er mich damals doch für ein wenig paranoid hielt.

Wer konnte ihm dies zum damaligen Zeitpunkt auch verdenken!

Hier nun also der Text, der mir gestern wieder in die Hände fiel….:

Wenn ich zurückblicken werde im Frühling 2021…

…dann werde ich auf eine Welt blicken, die sich verändert hat – oder eben auch nicht!

Denn nichts ist stärker als die Gier des Menschen. Stärker als der Selbsterhaltungstrieb und, oh ja, stärker als jeglicher Ehrgeiz, Dinge zum besseren zu wenden.

Denn ich blicke jetzt schon auf eine Welt, in der ein mehrfacher Milliardär die Politik erpresst, ihn mit Subventionen für seine Kaufhauskette (die er praktisch geschenkt bekommen hat) zu überschütten, da er sonst wirklich keine liquiden Mittel mehr hat, die Mieten für seine Kaufhäuser zu bezahlen.

Auf eine Welt, in der bedenkenlos Gesundheitssysteme kaputtgespart wurden – nicht nur in England, sondern überall! – , weil man die Bereiche, die das System früher finanziell am laufen hielten, an Aktienfonds verkauft hat, um vor einer anstehenden Wahl kurz die Steuern senken zu können – allerdings nur zum Vorteil derer, die sich ohnehin eine luxuriöse private Krankenversorgung leisten konnten.

Eine Welt, in der sich ein Milliardär die amerikanische Präsidentschaft gekauft (nicht nur er – ich kenne einen deutschen MdB, der sich seinen Sitz im Bundestag erkauft hat) und mitten in der Krise versucht hat, sich die exklusiven Patentrechte für einen möglichen Corona-Impfstoff zu sichern.

Soll doch die Welt zusammenbrechen, ich verdiene an jeder Impfung!

Auf eine Welt, in der die politischen Entscheidungsträger aus Bequemlichkeit oder auch aus purer Inkompetenz keine Entscheidungen treffen, ausser natürlich der jährlichen Entscheidung über ihre Diätenerhöhungen.

Eine Welt, in der die Menschen auf jeden selbsternannten Propheten aus dem Internet hören, nur weil er ihnen die Rückkehr zum gewohnten, alltäglichen verspricht – denn ihnen wurde ja jegliche Möglichkeit genommen, sich umfassend zu informieren, sich weiterzubilden, ihren Intellekt zu schärfen, indem man sie rund um die Uhr mit völlig sinn- und wertfreier Billigstunterhaltung zuschüttet.

Der einzig belustigende Nebeneffekt dabei: Die Leute sind inzwischen so uninformiert, leben so sehr in ihrer eigenen Gedankenblase, dass sie mittlerweile nicht einmal mehr wissen, wo sie bei der Wahl das Kreuz machen sollen und auf jede „Alternative“ hereinfallen, Hauptsache, sie schreit laut genug!

Auf eine Welt, auch das, in der jede aufgeklärte, sachlich argumentierende Stimme sofort niedergebrüllt wird, denn ein ungepflegter Fünftagebart ist natürlich in jedem Falle ein Zeichen größerer Kompetenz….

Eine Welt aber, und dies vor allem, die, sobald die Wirtschaft mit finanziellen Einbussen droht, sofort nach der Rückkehr an den Arbeitsplatz schreit, jedes noch so fadenscheinige Argument, jede noch so plump gefälschte Statistik ist hier recht!

Denn es geht ja um die großen Werte des Menschen: Mein BMW! Mein Haus! Mein Handy!

Dass es der Wirtschaft um die wahrhaft großen Dinge geht ist da natürlich beruhigend: Mein Schloss! Meine Ferrarisammlung! Meine Insel in der Südsee!

Nur am Rande: In Deutschland sind 780.000 Menschen obdachlos. 

In einem Land, in dem es 126 Milliardäre gibt…..

Aber zurück ins Jahr 2021: Denn ich werde mit großer Sicherheit zurückblicken auf eine Welt, die absolut nichts gelernt hat.

Denn natürlich müssen nach dem Wirtschaftseinbruch zunächst einmal die Industrien wieder hochgepäppelt werden, schließlich war dort nie genug Geld da, um Rücklagen zu bilden! Seit Steinbrücks Steuerreform übrigens auch nicht, um in Deutschland Steuern zu zahlen, die Subventionen müssen nun wirklich die Arbeiter mit ihren Steuern finanzieren, die sie dann nicht auf ihrem Lohnzettel wiederfinden.

Gewinne sind immer willkommen! Verluste allerdings…da ist der Sozialismus dann ganz recht.

So wird also kein Geld da sein, um endlich den wahren Helden unserer Zeit, den Krankenschwester, den Altenpflegern, den Verkäufern im Supermarkt faire Löhne zu bezahlen.

Es wird kein Geld da sein, um die über Jahre kaputtgesparte Gesundheitsstruktur wieder aufzubauen und es wird kein Geld da sein, die von der Wirtschaft so gern bis an die Grenzen ausgenutzte Infrastruktur zu sanieren.

Vor allem aber, und dies nicht zuletzt: Es wird wohl weder Zeit noch Geld übrig sein, um über die wahren Lehren aus all dem zu reden, über den Verfall der Gesellschaft, über Moral und Anstand.

Denn dies wäre das Ende für all jene, die sich im System auf Kosten der Masse sehr bequem eingerichtet haben und nichts mehr fürchten als das Ende der Niedriglöhne!

Man stelle sich nur eine Gesellschaft aus aufgeklärten, Bildungs- und Kulturhungrigen Menschen vor, die den Dingen auf den Grund gehen, Massnahmen informiert hinterfragen und ihren Politikern und Wirtschaftsführern immer wieder mal sanft, aber bestimmt auf die Finger klopfen.

Das gab es schon, werden Sie sagen?

Ganz richtig, man nannte es Bildungsbürgertum, und für eine gewissen Zeit sorgte es tatsächlich für jenes Aufblühen, aufgrunddessen man Deutschland immer noch „Land der Dichter und Denker“ nennt.

Tempi passati – die Gier nach Besitz ist wohl einfach stärker, als die Gier nach Weiterentwicklung.

Darum, so fürchte ich, werde ich im Frühjahr 2021 auf ein Land zurückblicken, in dem sich nichts zum besseren, vieles aber zum schlechteren gewandelt haben wird.

Warum „Nachts in der Philharmonie“?

Warum „Nachts in der Philharmonie“?

Meine Reihe von täglichen Videos aus der Philharmonie in Ludwigshafen verdankt ihre Existenz im Grunde einer Reihe von Zufällen.
Die ursprüngliche Idee war die, während der umbaubedingten Schliessung des Probensaals im Foyer Musik zu machen, um ein Zeichen zu geben, zu zeigen, dass das Orchester zwar ausgeflogen ist, das Gebäude aber trotzdem nicht verstummt.
Aufnahmen sollten nur ab und zu als Nebenprodukt entstehen – dann kam Corona…..

Die ersten zwei Wochen des Lockdowns waren eine bleierne Zeit, doch wurde mir bald klar, dass ich nicht einfach nichts tun kann.

So fing ich mit den ersten Aufnahmen an, zunächst konnte ich mir aussuchen, ob ich lieber einen verstimmten oder einen Flügel mit neuen, viel zu harten Hammerköpfen nutzen wollte, nachdem diese Hindernisse aber aus dem Weg geräumt waren, spielte sich dann bald eine gewisse Routine ein – „Nachts in der Philharmonie“ (dass bald „Keys to the Music“ heissen wird) war geboren!

Seitdem sitze ich alle 3-4 Tage spät Abends (es muss draussen dunkel sein, sonst stimmt das Licht nicht) im Foyer und nehme ein paar kurze Stücke auf, oft Sachen, die ich im normalen Konzertbetrieb nicht unterbringe, weil sie zu unbekannt oder, auch das, nicht für einen normalen Konzertabend geeignet sind, wie zum Beispiel die Springtime Suite von Eric Coates – wunderschöne Musik, ich liebe diese englische Zu-Spätromantik!
Aber eben schwierig in ein normales Programm einzupassen.

Mir ist durchaus klar, dass ich mich dem zur Zeit weit verbreiteten Vorwurf aussetze, unentgeltlich Musik zu machen, meine Kunst zu entwerten.

Nun, zunächst einmal ist das, was ich da tue, mit einem herkömmlichen Konzert überhaupt nicht vergleichbar, weder programmatisch, noch von der ganzen Atmosphäre her.

Dann ist aber auch im Laufe der letzen Wochen (heute ging Nr.65 ins Netz) etwas gewachsen, das einen leisen,aber stetigen Widerhall findet. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht eine mail oder eine Nachricht auf Facebook bekomme, die sich auf meine Aufnahmen bezieht, sogar Freundschaften sind entstanden.

Dann aber auch dies: Ich muss das einfach tun.
Es ist schwer zu erklären und klingt gewiss für manchen wie das Eingeständnis persönlichen Wahnsinns, aber ich muss Musik machen.
Denn ich weiss viel zu gut, wie es ist, dazu körperlich nicht in der Lage zu sein, sich aber nichts so sehr zu wünschen, wie Klavier spielen zu können.

Für mich ist das Getrenntsein von der Musik wie der Verlust der Fähigkeit, zu atmen, vielleicht sogar schlimmer.

So habe ich beschlossen, die Reihe weiter und immer weiter zu führen, auch wenn die Bedrohung eines Tages vorbei sein wird und wir alle wieder ganz normal ins Konzert gehen können – Literatur gibt es genug, ich bin seit vielen, sehr vielen Jahren ein fanatischer Notensammler!

50mal „Nachts in der Philharmonie“ – Ein Gespräch

Dieses Gespräch mit James Clark (Malibu Times) war eine Überraschung und fand völlig unvorbereitet am 23.Mai 2020 statt

JC: Kai Adomeit, 50 mal „Nachts in der Philharmonie“ – ist jetzt, da die ersten Corona-Lockerungen Hoffnung machen, das Ziel erreicht?

KA: Einerseits ja, andrerseits definitiv nein! Ja, weil ich es geschafft habe, mich seelisch über die bleierne Zeit zu retten, indem ich mich in die Musik und ins Üben gestürzt habe, nein, weil ich Geschmack an dieser Form der musikalischen Selbstdisziplin gefunden habe.

JC: Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen?

KA: Nicht durch Corona! Eine ganz ähnliche Idee hat mich schon seit längerem beschäftigt, aber ich fand nie die Zeit oder die Kraft, wirklich zu beginnen…..

JC: ….weil Sie beruflich so stark eingebunden sind?

KA: Definitiv. Ich habe im letzten Jahr sehr viel im Orchester gespielt, auch Projekte, für die ich sehr viel arbeiten musste und kam einfach nicht dazu, etwas für mich selbst zu tun. Im April diesen Jahres hätte das alles in einigen so anstrengenden wie wundervollen Projekten – unter anderem einer Aufführung des fünften Brandenburgischen Konzerts von Bach auf dem Klavier unter der Leitung von Michael Francis – kulminieren sollen – dann kam Corona……

JC:….das Sie vorausgeahnt haben? Stimmt das?

KA: Natürlich nicht!

Aber Sie wissen ja, dass ich seit vielen Jahren in der Apple-Entwicklergemeinde unterwegs bin. Die Nachrichten, die schon im Dezember aus China kamen, liessen keinen anderen Schluss zu als den, dass da eine potentielle Katastrophe auf uns zurollt.

JC: Und in dem Moment wussten Sie, wie „Nachts in der Philharmonie“ aussehen würde?

KA: Das wusste ich schon lange davor! Seit letztem Herbst wird der philharmonische Probensaal umgebaut und ich hatte immer geplant, während der Auslagerung des Orchesters Musik im Foyer zu machen, um dem Publikum zu signalisieren: „Das Orchester kommt bald zurück und selbst jetzt wird es nicht ganz still im Haus!“ Aber ich kam einfach nicht dazu!

JC: …und dann kam im März die Zwangspause?

KA: Ja. Zwei Wochen lang fühlte ich mich etwa so, als wäre ich in voller Fahrt frontal in eine Betonwand gefahren. Alles war wie mit Blei beschwert. Und dann fielen plötzlich alle Puzzlesteine in meinem Kopf in der richtigen Reihenfolge zusammen!

JC…und Sie fingen an, aufzunehmen!

KA: Fast. Die technischen Voraussetzungen hatte ich schon länger in der Hand, allerdings musste ich das Format noch entwickeln – einige bei Tag aufgenommene Videos waren optisch arg reizlos – und mich um die Instrumente kümmern.

JC: Gibt es denn in der Philharmonie Ludwigshafen keine Flügel?

KA: Oh, ganz im Gegenteil! Aber das Konzertinstrument des Orchesters, ein Steinway-Konzertflügel, war ziemlich verstimmt und mein eigenes Instrument, ein Schimmel K 230, hatte gerade neue, sehr harte Hämmer bekommen.

JC: Das heisst?

KA: Ich musste zunächst einen Stimmer finden, der in der Krise arbeitet, da sowohl mein üblicher wie auch der Stimmer der Philharmonie beide schon rein vom Alter in die Hochrisikogruppe fallen – anfangs galten ja vor allem Männer über 50 als extrem gefährdet, das Risiko geht man nicht ein, nur, weil man gerne seinen Flügel gestimmt hbekommen würde!
Dann musste ich die Hämmer in meinem eigenen Instrument im Schnelldurchgang weichklopfen in der Hoffnung, möglichst bald einen Techniker zu finden, der sich dann mit der Intonation der Hämmer beschäftigen würde.
Darum werden Sie in den ersten 20 Videos feststellen, dass ich nicht nur ein anderes Instrument spiele, sondern dieses auch anfangs noch etwas verstimmt ist.

JC: Sie mussten also mitten in der Krise auch noch investieren?

KA: Das ist das falsche Wort. Je mehr ich spiele, umso häufiger brauche ich natürlich den Stimmer. Und die neuen Hämmer waren schon lange geplant, das „schlechte“ Timing war schlicht purer Zufall.

JC: Ich würde gerne auf das ungewöhnliche Repertoire eingehen, dass Sie aufnehmen. Ich habe sie ja in den USA mehrmals gehört, da ist mir diese Vorliebe für Miniaturen und Raritäten so nicht aufgefallen.

KA: Nun, die Vorliebe für versunkenes Repertoire hatte ich immer! Und was die Miniaturen betrifft: Ich hatte schon lange einen Programmentwurf mit dem Titel „Auch kleine Dinge können uns entzücken!“ aufgeschrieben, jetzt kann ich ihn in ganz anderer Weise umsetzen.
Ausserdem: Ich habe die Zeit nicht, die Videos aufwendig zu schneiden und nachzubearbeiten, normalerweise nehme ich einfach mehrere Takes auf und hoffe, einen verwendbaren dabeizuhaben, was die Länge der Stücke etwas beschneidet, denn wenn Sie jedes Stück in einem Durchgang ohne Inserts aufnehmen, wird schon eine Chopin-Ballade zu einem Marathon – ich arbeite aber daran, versprochen!

JC: Sie machen also die Aufnahmen ganz alleine? Wie darf ich mir das in der praktischen Umsetzung vorstellen?

KA: Nun, für ein Aufnahmeteam fehlt mir wirklich das Geld!
Ich habe ein sehr gutes Mikrofon (Shure MV 88), das ich auf mein iPhone 11 stecke. Dieses kommt mit einem Adapter auf ein Stativ, dann bestimme ich die Perspektive, indem ich den richtigen Abstand zum Flügel suche.

JC: Und dann gehen Sie jeden Abend in die Philharmonie?

KA: Ich gestehe: Ich schummle ein wenig. Alle paar Tage setze ich mich hin und nehme mehrere Stücke auf, das macht auch die Übedisposition einfacher.

JC: Und wie kam es zu Bach?

KA: Ja…….(lange Pause)…..Bach ist für mich der größte Komponist aller Zeiten. Ich liebe seine Musik sehr, vielleicht mehr, als mir selbst bisher klar war.
Aber gleichzeitig ist seine Musik für mich mich einem schweren persönlichen Kummer belegt, einem Schmerz, den ich über viele Jahre mit mir herumgetragen habe.
Nun spiele ich ja, wie Sie wissen, überhaupt nicht mehr von gedruckten Noten, sondern nur noch vom iPad, will sagen, ich habe all meine Noten immer mit mir. Eigentlich wollte ich im Vorgriff auf meinen für die Spielzeit 20/21 geplanten Beethoven-Zyklus einige Stücke von Beethoven heraussuchen, nun liegt Beethoven alphabetisch sehr nahe bei Bach….

JC: ….und da stiessen Sie auf die Inventionen!

KA: Richtig! Vor denen hatte ich schon als Kind einen Heidenrespekt, so sehr, dass ich nie mehr als zwei gelernt habe.

JC: Sie haben nur zwei Inventionen gespielt?

KA: Richtig! Ausserdem eine Partita, zwei Präludien und Fugen, eine halbe französische Suite und die Goldberg-Variationen.

JC: Und warum jetzt ausgerechnet die Inventionen?

KA: Weil die mich zwingen, zu arbeiten! In keinem anderen Werk der Literatur wird soviel innere Selbstdisziplin verlangt, wie in diesen so einfach klingenden Stücken.

JC: Kai Adomeit, wie geht es nun weiter? Mit „Nachts in der Philharmonie“ und allem anderen?

KA: Nun – das Leben geht weiter! Zunächst natürlich einmal mit den nächsten 50 Stücken – aufgenommen habe ich tatsächlich schon bis Nummer 63 – und dann immer weiter. Es gibt nichts gesünderes, als so zum Üben, zum immer neuen Entdecken verpflichtet zu sein!

JC: Und „live“?

KA: Live geht es bald wieder mit den Kollegen von der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz weiter, zunächst nur in kleiner Besetzung, aber hoffentlich eines nicht zu fernen Tages auch wieder alle zusammen – schliesslich muss ich irgendwann auch mal wieder ans Geldverdienen denken!

JC: Das heisst, „Nachts in der Philharmonie“ ist Ihr Privatvergnügen?

KA: Aber ja! Niemals hätte ich ein solches Projekt unter der Vorbedingung des Müssens angefangen, gerade durch die totale Freiheit wurde das erst möglich.
Es ist für mich schon ein großes Privileg, unter diesen luxuriösen Bedingungen arbeiten zu dürfen, ich bin sehr dankbar dafür und geniesse das sehr!

Musiker in Zeiten von Corona

Ich bin Musiker.

Ich bin Pianist und ich bin arbeitslos, weil das Coronavirus verhindert, dass ich Konzerte geben kann.

Ich kann keine Konzerte geben, nicht hier in Deutschland und nirgendwo anders, weil die Grenzen geschlossen sind, weil die Behörden Veranstaltungen verboten haben, weil Konzertsäle, Opernhäuser, Theater, Musikschulen und -Hochschulen hermetisch geschlossen sind.

An all dem aber ist nichts falsches, denn: Ich bin gesund. 

Aber: Bin ich gesund? 

Ich könnte Corona in mir tragen, ohne es zu wissen, da ja viele die Infektion ganz ohne Symptome durchmachen. 

Ich könnte in die weiterhin geöffneten Cafés und Restaurants gehen, mich unter die Leute mischen, jetzt, da ich nicht weiss, wann ich meiner Arbeit wieder werde nachgehen können, da ich es mir mal erlauben könnte, etwas weniger diszipliniert zu leben. 

Aber ich tue es nicht. 

Weil ich immer versucht habe, ein verantwortungsvoller Mensch zu sein (einmal, ein einziges Mal, habe ich mich aus falsch verstandenem Pflichtbewusstein nicht daran gehalten. Meine Kollegen haben den Moment bis heute nicht vergessen, in dem ich zu Anfang einer CD-Aufnahme bewusstlos vom Klavierstuhl gefallen bin – als ich wieder wach wurde, hatte einer meine Füsse in der Hand und ein anderer versuchte, mich wiederzubeleben!). 

Auch, weil meine Gesundheit immer ein kompliziertes Thema in meinem Leben war. Also bleibe ich zu Hause, versuche, sowenig Menschen wie möglich zu treffen und so wenig Risiken wie möglich einzugehen. 

Ja, es ist hart, sehr hart! 

Auch, weil ein freischaffender Musiker wie ich nicht wissen kann, wann er wieder Geld verdienen wird, denn die Kosten – Miete, Essen, Lebenshaltung, bei vielen auch: Kredite, laufen natürlich immer weiter.

Und ich bin ja nicht allein: Meine grossartige Frau (die, nebenbei gesagt, die viel bessere Musikerin von uns beiden ist, viel disziplinierter und strukturierter, als ich es je sein werde), die eine sehr aktive, aber eben auch freischaffende Harfenistin ist, ist in gleicher Weise beruflich stillgelegt wie ich es bin.

Aber es muss eben sein.

Es muss sein, weil wir alle eine Verantwortung tragen, für unsere Partner, unsere Familien, unsere Freunde und, nicht zuletzt, für das grosse Ganze, für die Menschen, die uns umgeben, die Alten und Schwachen, die durch Corona besonders gefährdet sind.

Und wir tragen auch die Verantwortung dafür, daraus zu lernen!

Wir tragen zukünftig die Verantwortung, unsere politisch Verantwortlichen daran zu erinnern, was damals war, im Frühjahr 2020, als sich herausstellte, dass ein Gesundheitssystem durch private Shareholder und deren Renditeerwartungen eben nicht gestärkt wird, dass es keinen Sinn macht, ein Pflegesystem personell auf Kante zu besetzen, weil Gesundheitsvorsorge und Pflege im Notfall nämlich die erste Verteidigungslinie gegen das Chaos sind!

Wir tragen – ist das wirklich nur meine Meinung? – die Verantwortung dafür, eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen, endlich mit den ewig gleichen Lippenbekenntnissen aufzuhören und eine Gesellschaft zu schaffen, in der jeder in Anstand und Würde leben kann und auf niemandes Gnade angewiesen ist!

Nein, ich bin kein „linker“.

Ich bin übrigens auch kein „rechter“

Noch bin ich „konservativ“ und schon gar nicht rassistisch oder ausgrenzend. Jeder Mensch – welcher Orientierung, Hautfarbe, Herkunft er auch sein mag, ist mir recht solange er mit mir in gleicher Weise respektvoll umgeht, Auseinandersetzungen über unterschiedliche Meinungen natürlich immer gerne inbegriffen!

Aber ich sehe immer mehr Flaschensammler und Obdachlose (dies ist auch statistisch bestätigt), und das ist für mich als Mensch inakzeptabel.

Machen wir also alle das beste aus dem, was uns da gerade so durchschüttelt! 

Lasst uns nach unseren kreativen Kräften suchen und in den heimischen vier Wänden nach neuen Wegen des Umgangs miteinander suchen. 

Achtet auf euch und geht achtsam miteinander um – wir sollten alle die Krise nutzen, um vielleicht auch verschüttete Kommunikationswege und vergessene Freundschaften wiederzubeleben, das verdammte Handy kann tatsächlich neben Spielen und Navigation auch noch zum Telefonieren dienen! 

Ach ja: Bei all dem geht es nicht um mich als Person. 

Ich habe in meinem Leben mehr Schmerzen, mehr Trauer und, auch das, mehr Verzweiflung erlebt, als ich es meinem schlimmsten Feind wünschen würde. 

Ich bin nicht wichtig. Aber wir alle zusammen sind es!

Ich umarme euch alle aus der Ferne!

„…steht doch alles schon drin!“

„…steht doch alles schon drin!“

Zum Tod von Siegfried Köhler

Er war eine dieser Persönlichkeiten, die zum Kulturleben in Deutschland dazugehörten wie die Noten zur Musik: Das Ehrenmitglied des VDH Siegfried Köhler.

Geboren am 30.Juli 1923 in Freiburg im Breisgau, gehörte er noch jener Dirigentengeneration an, die ihr Handwerk von der Pike auf lernte, wenn auch mit einem ganz besonderen instrumentalen Akzent denn anders als die meisten Dirigenten kam er nicht etwa vom Klavier sondern studierte an der Musikhochschule Freiburg – Harfe!

An der dortigen Oper war er denn auch bald regelmässig als Aushilfe im Orchestergraben zu erleben, bevor er 1941 als Harfenist und Solorepetitor ans Theater Heilbronn ging.

Doch auch an ihm ging der Krieg nicht vorüber, und so tauschte er den Frack 1942 für drei Jahre gegen die Soldatenuniform ein.

Aus dem Krieg zurückgekehrt entschied sich Siegfried Köhler für die Dirigentenlaufbahn, wurde 1946 Kapellmeister und 1952 erster Kapellmeister in Freiburg.

1954 verliess er seine Heimat, um als Kapellmeister zunächst nach Düsseldorf, 1957 dann nach Köln zu wechseln.

Ab 1962 war er dort als stellvertretender GMD bereits im Interim Leiter des Hauses, bevor er 1964 als GMD an das Staatstheater Saarbrücken ging, wo er auch als Professor Leiter der Dirigierklasse an der Hochschule des Saarlands wurde.

1974 wurde Siegfried Köhler dann Generalmusikdirektor des Hessischen Staatstheaters Wiebaden, dessen musikalischer Leiter er für 14 Jahre werden sollte: Die Verbindung Wiesbaden – Köhler wurde nicht nur in Insiderkreisen zu einem Synonym und bis heute hört man noch in Musikergesprächen Sätze wie „Wer ist eigentlich grad dort Chef?“ – „Jetzt? Na, früher war Siggi Köhler da…..“!

1992 dann, in einem Alter in dem moderne Dirigenten oft schon kürzer treten und sich eigentlich gar nicht mehr fest binden wurde Siegfried Köhler Königlicher Hofkapellmeister an der Oper in Stockholm. Für dreizehn Jahre wurde er dort zu einem Garant für grosse Opernabende bevor er, nun doch etwas kürzer tretend, bis in hohe Alter als reisender Gastdirigent tätig war.

Legende wurden seine Einspringer, in denen er seine ganze Routine und sein Können mit Spontaneität verband, etwa in Nizza, wo er 20 Minuten vor Beginn einer „Walküre“ eintraf und Orchester und Ensemble zu einem unvergessenen Abend mitriss.

Ich hatte das grosse Glück, Siegfried Köhler etwa ab dem Jahr 1990, selbst in der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz als Pianist sitzend, erleben zu dürfen. Hier war eine Mischung aus Musikantentum und völlig souveränem Dirigieren zu erleben die, wie ich mit den Jahren lernte, keineswegs selbverständlich war und ist. 

Ohne jegliche Allüren seinerseits – den „Professor“ verbat er sich fast, nannte ihn überhaupt ausserhalb der Probe jemand (in allem Respekt, wohlgemerkt!) anders als „Siggi“? –  ging es nur um das Werk und seine bestmögliche Umsetzung.

Manchmal war durchaus seine Ungeduld zu spüren, wenn er ein Werk dass er aus vollem Herzen dirigierte dem Orchester erst geduldig erklären musste. Wurde es dann in der Probe unruhig hob er dann doch seine Stimme und nie werde ich das Gesicht eines im Dienst schon ergrauten Stimmführers vergessen, der plötzlich ein „Kinder! KINDER! Jetzt seid mal nicht so ALBERN!“ zu hören bekam!

Ihm fiel es natürlich leichter als uns, sein berühmtes „steht doch schon alles in den Noten….!“ Und sein ebenso klassisches „leicht, Kinder, alles ganz leicht…“ sind bis heute lebende Erinnerungen an ihn.

Doch wenn dann das Konzert anstand, konnte man erleben was hingebungsvolles Musikmachen bedeutet: Mit leuchtenden Augen stand dann ein Dirigent vor dem Orchester der mit so hingebungsvollem Schwung Wagner, Brahms oder auch seine eigenen Werke („ich hab da was geschrieben…“) zelebrierte, dass man sich nach dem Konzert sofort fragte, wann „Siggi“ denn nun wiederkäme.

Wirklich unvergesslich eine konzertante „Elektra“ die der 80-jährige, nach einer etwas mühsamen Probenphase im Konzert, das Orchester und das Publikum einfach mitreissend buchstäblich bis zur Weissglut steigerte.

Als Komponist neigte Siegfried Köhler eher der leichten Muse zu, komponierte einige Musicals und Orchesterwerke (…kann es denn wirklich einen schöneren Musical-Titel geben als „Sabine, sei sittsam“?), leider nur wenige Werke für Harfe – die „Humoreske“ ist über den VDH zu beziehen.

Sehr lesenswert ist seine, zur Zeit leider offenbar vergriffene Autobiographie „Alles Kapriolen“, in der er auf seine ganz persönliche, niemals prätentiöse Art aus seinem Leben berichtet.

Siegfried Köhler verstarb 94-jährig in Wiesbaden, ein Jahr nach seiner Frau. Er wird der Musik und den Musikern sehr fehlen.

Warum Schubert?

Warum Schubert?

(Ausschnitte aus einem Gespräch mit dem amerikanischen Musikjournalisten David Richards im Januar 2018)

DR: Kai Adomeit, warum Schubert? Warum alles? Und warum auch noch alles 4-händige?

KA: Das ist eine merkwürdige Frage, warum denn nicht? Könnte es etwas wichtigeres geben als Schubert?

DR: Nun, die Zeit der zyklischen Aufführungen scheint doch vergangen zu sein, wenn man mal Andras Schiff und seine Beethoven-Sonaten beiseite lässt.

KA: Ach, wissen Sie, ich habe mich immer schon nicht sehr dafür interessiert, was „man“ macht. Ich spiele Musik ja nicht um des eigenen Vergnügens willen (wenngleich das natürlich auch eine – kleine! – Rolle spielt), sondern weil ich den inneren Drang spüre, mich mit bestimmten Werken und Komponisten auseinanderzusetzen.

Schubert war eine logische Fortführung von Haydn und Beethoven…

DR: …die sie auch vollständig aufgeführt haben, aber fehlt in der Reihe nicht Mozart?

KA: Nun, aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben! Mozart wird bestimmt noch kommen! Aber es ist tatsächlich so, dass der Haydn-Zyklus damals, 2010, aus einer tiefen inneren Krise heraus entstanden ist, in einer Zeit, in der ich alles, was ich bis dahin gemacht hatte in Frage stellte und in der mir sehr unerwartet der Beethoven-Zyklus angetragen wurde. 

Ich habe mich damals sehr lange mit dem Gedanken beschäftigt und festgestellt, dass das was ich wirklich machen wollte….Haydn war!

DR: Das erstaunt mich etwas, aus den USA habe ich Sie eher als Pianisten für die romantische Virtuosenmusik in Erinnerung: Liszt, Rachmaninov, Chopin, Godowsky…

KA: Völlig richtig! Nun ist es zum einen so, dass es den Veranstaltern wichtig ist, dem Publikum ein „attraktives“ Programm zu bieten – und dazu gehören eben auch Werke wie die Tannhäuser-Ouverture in der Liszt-Bearbeitung.

Zum anderen war ich damals viel jünger – damals konnte ich mir ein reines Haydn-Programm nicht einmal vorstellen!

Wenn man jung ist, will man wohl immer etwas beweisen auf dem Instrument.

DR: Wie kann man sich, um den Titel aufzugreifen, den pianistischen Unterschied, etwa zwischen der Tannhäuser-Ouverture und einer Haydn- oder Schubert-Sonate vorstellen?

KA: Weniger Noten – aber keineswegs leichter! Bei Liszt kann ihnen auch einmal ein Lauf verrutschen ohne dass das groß auffällt. Bei einer Haydn-Sonate hört jeder, wenn ein Dreiklang verrutscht!

DR: Und dann das grösste Extrem, Schubert?

KA: Zu Schubert bin ich im Grunde gekommen, wie die Jungfrau zum Kind: Natürlich hatte Schubert schon sehr lange eine wichtige Rolle für mich gespielt. 

Wie Sie ja wissen, habe ich bei einem großen Schubert-Exegeten, Paul Dan, studiert. Doch habe ich selbst bis zu meinem 45.Geburtstag nur die kleine A-Dur Sonate (D 664) öffentlich aufgeführt….

DR: ….Sie haben nicht wenigstens eine der späten Sonaten studiert? 

KA: Gehört, natürlich, gelesen, sehr oft! Aber mein Lehrer hatte mich bei seinem letzten Klavierabend (bevor er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr auftreten konnte) mit der großen B-Dur Sonate (D 960) so erschüttert, mich mit einer wirklich vollkommenen Interpretation derart buchstäblich aus der Bahn geworfen, dass ich mich zwar immer wieder intensiv mit Schubert beschäftigt habe, aber nie den Mut hatte damit auf die Bühne zu gehen – ich fühlte mich dem einfach nicht gewachsen.

DR: Nicht einmal die so populären, eher einfachen Impromptus oder Moments musicaux? Ich habe doch einmal das Moment musical in f-moll von Ihnen….

KA: ….als Zugabe gehört, richtig! Aber das waren Ausnahmen. Gerade die vermeintlich so einfachen Impromptus sind ja Werke voll innerer Dramen, die sich trotzdem innerhalb eines strengen formalen Rahmens bewegen. Natürlich ist es einfach, den reinen Notentext zu spielen, aber das was hinter den Noten stattfindet braucht eben Zeit.

DR: Die jetzt gekommen ist?

KA: Ja! Zumal ich ja nicht in einem Moment damit beginne, in dem Schuberts Klavierwerk an jeder Ecke zu hören wäre. Die zentralen Werke werden natürlich und Gott sei Dank immer wieder im Konzert aufgeführt. Aber wann hört man schon die frühen Sonate, die Fragmente, die Fantasien ausser der Wanderer-Fantasie….

DR: …es gibt noch mehr?

KA: Aber sicher, die sogenannte „Grazer Fantasie“ D 605a und ein ganz frühes Werk, D2E, Schuberts erstes zweihändiges Klavierwerk überhaupt!

DR: Ist ihr „ganzer Schubert“ denn wirklich der ganze Schubert?

KA: Ich gestehe: Nein! Schubert hat eine Unmenge an Tänzen hinterlassen, Walzer, Ländler und sonstige Modetänze der damaligen Zeit. Das meiste davon ist wirklich schöne Musik, im ganzen gespielt aber doch sehr ermüdend und wohl auch nie für den Konzertsaal sondern eher für die Tanzfläche gedacht

DR: Nicht einmal als Aufnahme?

KA: Ich bewundere Michael Endres und Michel Dalberto grenzenlos dafür, dass sie sich in diese Musik so hineinversetzt haben, aber es genügt mir, zumindest vorerst, diese Stücke für mich allein zu genießen.

DR: Also spielen Sie sie schon?

KA: Ich spiele jede gute Musik! Warten wir doch einfach ab, vielleicht wache ich irgendwann auf und spüre, dass ich alle Schubert-Tänze spielen muss! Ich sage niemals nie…

DR: …….ausser zu Busoni?..

KA: …weil ich manche Werke nicht greifen kann, ja. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

DR: Aber sonst alle Originalwerke?

KA: Ja. Wobei „Original“ ein schönes Stichwort ist. Natürlich liebe ich die Lisztschen Liedbearbeitungen der Schubert-Lieder, aber meine grösste Schwäche gilt einer völlig vergessenen Bearbeitung, nämlich der 5.Symphonie in B-Dur in der Klavierfassung von Jan Brandts-Buys.

DR: Zu 4 Händen?

KA: Nein, nein, für 2 Hände! Natürlich bekommt man den luziden Klang des Schubertschen Orchesters so nicht hin, aber es macht einfach Spass, dass zu spielen! Doch zum Original zurück: Alles außer den Tänzen, also die Fantasien, die Variationen, die Impromptus, die Moments musicaux und die Sonaten….

DR: …..wie führen Sie eigentlich die Sonaten auf? Welche Vervollständigungen der Fragmente spielen Sie?

KA: Das war für mich lange eine spannende Frage. Inzwischen bin ich an einem Punkt, an dem ich sage: Ich spiele nur das, was zweifelsfrei von Schubert selbst stammt. Wenn zum Beispiel nur analog zu vorhergehenden Stellen Begleitfiguren zu einer von Schubert selbst niedergeschriebenen Melodie zu vervollständigen sind wie zB im letzten Satz der Sonate f-moll (D 625), wenn also der Herausgeber nur reine Schreibarbeit nachgetragen hat spiele ich das natürlich. 

Ich bewundere auch zB sehr die Vervollständigung der „Reliquie“-Sonate (D 840) durch Ernst Krenek, habe aber immer wieder das Gefühl, dass Schubert hier genau wusste, warum er die Sonate letzlich aufgab. 

Etwas anders liegt der Fall im ersten Satz der schon erwähnten f-moll Sonate. Hier höre ich an der Stelle auf, an der Schubert aufhörte zu komponieren. Die Ergänzung des Satzes durch Paul Badura-Skoda ist zwar faszinierend, aber mir persönlich fehlt hier einfach etwas. Hat Schubert nicht vielleicht doch eine eine weiter gefasste Durchführung, wie er sie etwa in der letzten Sonate (D 960)  komponierte im Sinn gehabt, um sehr viel später in eine echte Reprise in der Ausgangstonart zurückzukehren? 

Das ist aber eine rein subjektive Entscheidung, ich masse mir nicht an im Besitz einer Antwort auf eine Frage zu sein, die nur Schubert selbst hätte beantworten können.

DR: Diese Probleme spielen bei den 4-händigen Werken aber eher eine untergeordnete Rolle?

KA: Gar keine. Die Werke zu 4 Händen sind musikwissenschaftlich unproblematisch.

Ist bei den Klaviersonaten in einigen Fällen nicht einmal völlig klar, welche Sätze zusammengehören, sind die wenigen Textprobleme der 4-händigen Werke einfach zu lösen. Der Anmerkungsapparat der modernen Urtextausgaben ist da natürlich auch sehr hilfreich.

DR: Ich würde gerne noch einmal auf meine Frage zurück kommen: Warum? Die 2-händigen Werke sind doch schon recht umfangreich…

KA: Tatsächlich sind die 4-händigen Werke noch umfangreicher, wenn man die reine Spielzeit betrachtet. Statt acht, wie bei den Solowerken, werden es nach dem derzeitigen Stand der Planung wohl neun 4-händige Abende werden.

DR: Ja, aber…

KA: Ich weiss schon: Warum denn alles? Zum wiederholten Mal: Warum nicht? 

Wissen Sie, Sie sind ja nicht der erste, der diese Frage stellt. Ich halte es aber für wichtig, dass es die Chance gibt, auch die weniger gespielten Werke eines Komponisten im Konzert zu hören! Werke wie die f-moll Fantasie, den berühmten Militärmarsch in D-Dur oder „Lebensstürme“ werden Sie mit Sicherheit auch in anderen Konzerten hören. Aber der Rest? 

Ich weiss nicht, wann ich das letzte Mal das “Grand Divertissement hongrois“ (D 813)  auf einem Konzertprogramm gesehen habe, aber es ist definitiv schon eine Weile her – und ich will ja auch nicht jedesmal 300 km fahren! Sicher, Sie können sich jedes Werk über Apple Music oder Spotify anhören, aber „live“ ist doch etwas ganz anderes!

DR: Ihre Partnerin in den 4-händigen Werken ist eine Studienkollegin….

KA: Fast! Asli Kilic hat beim selben Lehrer studiert – aber einige Jahre später! 

Es war eine schöne Überraschung, dass sie sich auf ein solches Monsterprojekt eingelassen hat, schliesslich ist sie eine vielbeschäftigte Pädagogin und Pianistin und all diese Stücke wollen ja nicht nur geübt, sondern auch zusammen geprobt werden! 

DR: Haben Sie schon länger als Duo gespielt?

KA: Nein, wir hatten uns im Gegenteil für einige Jahre etwas aus den Augen verloren bevor ich sie in einem Konzert fragte, ob sie nicht Lust auf die 4-händige Beethoven-Sonate (Op.6) hätte, mit der ich meinen Beethoven-Zyklus vervollständigen konnte.

DR: Spielen Sie denn mit einer festen Stimmverteilung?

KA: Nein, ich wollte mich von Anfang an in primo und secondo abwechseln. Bisher bekommen wir das auch ohne Probleme hin, es ist uns, glaube ich, eher unwichtig wer oben und unten spielt.

Die Musik gibt das auch gar nicht her. Es gibt wohl keine uneitlere Musik als die von Franz Schubert!

DR: Sie werden also Schubert mit ihr weiterführen?

KA: Ich hoffe es doch sehr!

Mein Lehrer Paul Dan

Heute achtunddreißig Jahr – Mein Lehrer Paul Dan

Laudatio zur Verabschiedung von Prof.Paul Dan an der Staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst Mannheim am 15.10.2018

Als mir mein Lehrer und Freund Paul Dan den Auftrag zu dieser Laudatio antrug, war mir dies große Freude – und als ich so meine Gedanken zu sortieren begann, wurde mir klar, wie lange all das schon zurückreicht, wie unglaublich lange er mich stets in meinen Gedanken begleitet.

Bitte verzeihen Sie mir, wenn ich im folgenden sehr subjektiv werde – ich bin so, ich kann nicht anders!

Und das Lügen habe ich leider – oder Gott sei Dank? – nie gelernt….

Zunächst einige biographische Daten:

Paul Dan, Jahrgang 1944 war Schüler von Joseph Willer, Ella Philip, Georg Halmos und Florica Musicescu, der Lehrerin von Dinu Lipatti und Radu Lupu und studierte in Klausenburg und Bukarest. 1968 gewann er den Förderpreis des Bach-Wettbewerbs in Leipzig und konnte seine Ausbildung bei Hugo Steurer in München fortsetzen, die er mit Auszeichnung abschloss. Seit 1973 war er Gastprofessor in Tokio, seit 1978 ist er Professor für Klavier und Kammermusik an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Mannheim – also seit nunmehr 40 Jahren.

Als Solist trat er unter anderem mit den Wiener Symphonikern, den New Japan Philharmonics, dem Tokyo Symphony Orchestra und dem Tokyo Metropolitan Orchestra auf. Daneben bildete die Kammermusik einen Schwerpunkt seiner Aktivitäten. 

1996 zog er sich aus gesundheitlichen Gründen aus dem Konzertleben zurück und wirkt seitdem ausschließlich als Lehrer, worauf ich zunächst eingehen möchte

Beginnen möchte ich mit zwei Zitaten einer seiner Schülerinnen, meiner hochgeschätzten Kollegin Friederike Bischoff, die heute an der Hochschule in Tromsö/Norwegen lehrt:

„Man kann diese Stelle stundenlang, tagelang üben und es ist trotzdem Zufall ,ob sie klappt – oder man lässt diese verdoppelte Oktave weg und kann sie sofort sauber spielen – das musst Du jetzt selbst entscheiden!“

und:

„Inspirierend, offen und niemals Grenzen setzend.“

Wissen Sie, es gibt im Grundsatz zwei Sorten von Lehrern: Jene, deren Schüler blind jeden Ratschlag befolgen, geradezu abhängig werden von ihnen um dann nach Abschluss des Studiums oft in ein tiefes Loch zu fallen, weil ihnen plötzlich das stützende Gerüst fehlt. 

Einer dieser Lehrer, eine damals sehr berühmte pädagogische Koryphäe, hat mir übrigens kurz vor dem Studium bescheinigt, ich sei gleichermaßen vollkommen unbegabt als Pianist wie als Musiker – horribile dictu!

Und dann gibt es jene, die ihre Schüler inspirieren, ihren eigenen Weg zu suchen, sich von Anfang an auf eigene Füße zu stellen und nicht nur die eigene Leistung, sondern auch die ihres Lehrers kritisch zu hinterfragen – keineswegs der bequemere Weg und zwar für beide Seiten!

Aber, auf lange Frist gesehen der einzige Weg, der dem Schüler wirklich den Weg nicht nur durch den Beruf, sondern auch durch das Leben weist, bei dem der Lehrer sich nicht durch den Schüler definiert, sondern sich diesen seinen eigenen Weg suchen lässt – auch mit allen in dem Moment nötigen Irrwegen und durch alle Dickichte hindurch!

Selbst wenn der Schüler das Gefühl hat, sich eine neue Inspiration suchen zu müssen, nach neuen Ideen aus einer Sackgasse suchen zu müssen, in die er sich vielleicht auch aus eigener Blindheit – das Brett vor dem eigenen Kopf ist einem ja bekanntlich immer am nächsten – verrannt hat, sollte der Lehrer trotzdem aus einer gewissen Distanz immer zugewandt bleiben, auch der Lehrerwechsel könnte ja ein Irrweg gewesen sein, wir reden hier ja nicht von Ehebruch, auch wenn manche diesen anscheinend als weniger schlimm als einen Lehrerwechsel wahrnehmen….

Eine für ihn sehr bezeichnende Episode ist diese: Als er einmal ein Repertoiresemester nahm, holte er als seinen Vertreter nicht etwa einen Freund oder jemanden, der für ihn von Vorteil sein könnte sondern: Michael Ponti. 

Der amerikanische Pianist, damals immer noch auf der Höhe seiner Berühmtheit, fiel in die Klasse ein wie ein Wirbelwind! Das klangliche Spektrum wurde noch einmal erweitert, bis hin zu dem berühmt gewordenen, mit unnachahmlichem Louis Armstrong-Reibeisen untermalten „Hier, diese Melodie in der Mittelstimme, die müssen Sie ballern, mit dem Daumen, sonst hört man das nicht!“

Ein großes Erlebnis, unverzichtbar und unvergessen!

Es sei nur am Rand angemerkt: Es war eine vollkommen andere Hochschule als heute, es gab etwa halb soviel Studenten – aber neun Klavierprofessoren! Der Umgangston war ein ganz anderer, der Kontakt untereinander auch – es wäre undenkbar gewesen, nicht in den Klassenabend der Studienkollegen zu gehen…tempi passati, leider, denn früher war zwar nicht alles besser – aber vieles war gut!

Ich gestehe es hier offen ein: In meiner ungewöhnlich langen Zeit mit Paul Dan – mit der bereits angeführten Unterbrechung waren es insgesamt dreizehn Jahre! – habe ich nicht alles gleich verstanden, habe viele Anregungen in dem Moment nicht einmal als solche wahrgenommen, habe ihn gewiss auch des öfteren durch mein Unverständnis verletzt.

Zum Teil spielte hier sicherlich meine Jugend eine Rolle: Kierkegaards „Don Juan als philosophisches Paradigma“ und Alice Millers „der gemiedene Schlüssel“ waren Literaturempfehlungen, bei denen er gewiß für einen kurzen Moment vergaß, daß ich erst vierzehn Jahre alt war. Doch mit welchem Genuss, mit welcher Begeisterung habe ich diese Lektüre sehr viel später verstehen können!

Paul Dans Unterricht fand keineswegs immer am Instrument statt: Wie oft habe ich mit ihm im Café um die Ecke gesessen und wie unendlich viel habe ich dabei gelernt, über den Klang am Klavier – ein zentraler Punkt seines Unterrichts, der Dirigent, der mir einmal bescheinigte, bei mir klinge das Instrument immer ein wenig besoffen weiß bis heute nicht, welch großes Kompliment er mir gemacht hat – , über Werke, über Sekundärliteratur, über das Leben mit der Musik und den Beruf des Musikers. Ich  könnte heute mit Sicherheit niemals Vorlesungen über Literaturkunde halten, hätte, um nur ein Beispiel unter sehr(!) vielen zu nennen, wohl nie das Klavierkonzert von Arnold Schönberg gelernt, hätte mich Paul Dan nicht zu immer neuer Neugier angestiftet.

Doch auch von seiner Geduld, seinem Langmut gegenüber einem schwierigen, leicht autistischen Kind aus einer komplizierten Musikerfamilie soll hier berichtet werden. Mit 15 verschwand ich einmal ohne größere Erklärungen seitens meiner Eltern für drei Monate – in der ersten Stunde danach war er unverändert wie eh und je.

In meinem zweiten Studienjahr packte mich plötzlich das Fernweh und ich ging zum Studium nach München, noch dazu bei einem seiner ehemaligen Studienkollegen (wie hieß er noch mal?) – er fand die Idee großartig!

Nach zwei, sehr diplomatisch ausgedrückt, unglücklich verlaufenen Jahren fragte ich ihn vor Angst schlotternd, ob er noch einen Studienplatz für einen verunglückten Rückkehrer frei hätte – er zögerte keinen Moment!

Nur dass ich den Spaß am Klavierspielen, am Musikmachen überhaupt erst wieder finden musste, das war Ausgangspunkt langer, fassungsloser Diskussionen……

Berichtet werden soll hier auch von der unendlichen Geduld, mit der er einem zwölfjährigen (sic!) mit großer methodischer Souveränität pianistische Grundlagen erklärte, wobei er nebenbei noch meine Versuche ertrug, Beethovens „Appassionata“ und das erste Tschaikowsky-Konzert zu spielen – was man mit 12 Jahren halt so im Kopf hat. Triller, Oktaven,Passagen, Anschlagsarten, klangliche Balance waren für Monate mein täglich Brot, dass er mit niemals nachlassender Intensität bearbeitete.

Nebenbei gab es noch ganz praktische Anwendung trockener Materie: Kontrapunkt wäre mir bis heute ein Fremdwort, hätte ich ihn nicht als Zwölfjähriger am Beispiel der c-moll-Fuge aus dem zweiten Band des Wohltemperierten Klaviers erklärt bekommen. 

Formanalyse, einmal erklärt am Beispiel der „Appassionata“, ist mir seitdem beim täglichen Üben in Fleisch und Blut übergegangen – nur in der Formenlehre-Vorlesung verstand ich sie plötzlich nicht mehr, aber das ist eine ganz andere Geschichte….

Das besondere an diesem Unterricht war vor allem dies: War der kurzfristige Erfolg im Unterricht vielleicht nicht immer sofort sichtbar, so groß war er es auf lange Frist gesehen. Bis zum heutigen Tag begleitet mich sein Ethos der Musik gegenüber, gehen mir Sätze aus seinem Unterricht durch den Kopf und helfen mir immer wieder aufs neue, pianistische Probleme zu lösen, Musik zu verstehen, Inspiration in einem ungeliebten Werk, das nichtsdestotrotz gelernt werden muss, zu finden, Werke aus dem langjährigen Standardrepertoire immer neu zu erfinden – und meine letzte Klavierstunde bei ihm liegt immerhin 25 Jahre zurück!

Noch ein Ausspruch, der von vielen seiner Schüler kommt: „Niemand hätte mich besser auf den Beruf vorbereiten können – auch wenn ich das damals nicht gemerkt habe!“

Ich selbst bin nach so vielen Jahren, in denen Paul Dan vom Lehrer zum vertrauten Freund wurde natürlich nicht mehr objektiv ihm gegenüber, darum will ich von zwei eindrücklichen Momenten in meinem Leben erzählen, will andere seine Qualitäten darstellen lassen: 

Ich muß 16 Jahre alt gewesen sein, als ich zum ersten Mal zu den Sommerkursen des großen ungarischen Pianisten György Cziffra fuhr. 

Dem vorausgegangen war ein bemerkenswerter Moment, in dem ich Paul Dan fragte, was ich denn während der endlosen Sommerferien ohne ihn machen solle. Seine Antwort: „Ich will Dich erst mal nicht sehen, geh auf jeden Kurs, den Du kriegen kannst, egal wo, egal bei wem, und wenn Du nur siehst, wie Du es nicht machen willst!“ Weise Worte!

Nun, angekommen in Frankreich hatte ich die aus heutiger Sicht größenwahnsinnige Idee, Liszts „Totentanz“ zu spielen, also im übertragenen Sinne zu versuchen, 100 Meter gegen Usain Bolt zu sprinten. Bereits nach den einleitenden Kadenzen (richtiger: Kadenzversuchen, so, wie ich spielte) wurde ich unterbrochen, bekam den Klavierauszug mit den Worten „Begleite mich mal kurz, ich zeige Dir mal die rhythmische Struktur des Anfangs…“ in die Hand gedrückt und bekam eine Demonstration des wohl virtuosesten Klavierspiel, das ich jemals erlebte. Bis zum heutigen Tag bin ich der festen Überzeugung, daß Rauch und Flammen aus dem Flügel stiegen!

Mit den Worten „geh üben!“ bekam ich meine Noten überreicht.

Am nächsten Morgen – ich hatte die Nacht am Klavier verbracht – nahm ich den nächsten Anlauf und bekam, nein, kein Lob, sondern eine Ermahnung: „Du hast offenbar einen großen Lehrer, hör ihm besser zu und mach es beim nächsten Mal gleich richtig!“ – kein selbstverständlicher Satz aus seinem Mund!

Der andere Moment ereignete sich ungefähr 2005, ich durfte Lorin Maazel auf einer Tournee durch die USA assistieren und korrepetierte eine Klavierprobe mit dem unangenehm komplizierten Cellokonzert von Peter Mennin – aus der Partitur, da der handschriftliche Klavierauszug mehr Verwirrung stiftete als hilfreich war.

Nach einem langen Kampf mit den rhythmischen Tücken des Werks und der ebenfalls schlecht lesbaren Partitur legte sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter und ein ganz ungewohnt sanftes „Du musst einen höllisch guten Lehrer gehabt haben“ brummelte durch den Raum. Es sind solche Momente, in denen man lernt, wie sehr man den eigenen Lehrer zu schätzen hat!

Nachdem ich nun den Lehrer Paul Dan gewürdigt habe, möchte ich auf den Teil seines Lebens zu sprechen kommen, den viele hier leider nie erlebt haben – den Pianisten!

Paul Dan war ein Pianist, der mit Leichtigkeit ein großes und vielseitiges Repertoire pflegte. 

Ich erinnere mich – und niemand, der dabei war, wird diesen Abend je vergessen – an sein Antrittskonzert im Dezember 1980, bei dem er Ravels „Gaspard de la nuit“ und Liszts Sonate h-moll wie aus dem Moment heraus erschuf, besonders aber an die kleine A-Dur-Sonate von Franz Schubert (D 664), die so vermeintlich harmlos den Abend eröffnete, um dann im langsamen Satz in die klangliche Unendlichkeit einzutauchen. 

Ich erinnere mich an eine wilde, berauschend bunte „Napoli“-Suite von Francis Poulenc, Liszts „Csardas macabre“, der wirklich wie die Beschwörung der Hölle klang, an die für mich bis heute auf einsamer Höhe stehende Darstellung der Rachmaninowschen Corelli-Variationen – und ich habe meine Hausaufgaben durchaus gemacht, ich verfüge über fast alle Aufnahmen dieses Werks! – , denen er in überlegener Weise formale Logik verlieh, ohne dabei jemals an musikalischem Schwung oder  musikalischer Freiheit einzubüßen.

Die Cellosonaten von Beethoven, die er mit meinem Vater am Cello mit soviel Temperament wie inniger Versenkung interpretierte.

Nicht zuletzt Joseph Haydn, dem er den „Säulenheiligen“ gründlich austrieb, den er mit großem Witz, Verve und steter Begeisterung spielte.

Das 4.Klavierkonzert von Beethoven, daß er mit bezwingender musikalischer Intensität erfüllte und, natürlich, das aufwühlende Urerlebnis des Konzerts für die linke Hand von Ravel, daß ich nie wieder in dieser überwältigenden Mischung aus klanglicher Gewalt, pianistischem Können und musikalischem Zauber gehört habe.

Nicht nur bekanntes fand sich im Repertoire: Die konzertanten Divertimenti von Hans Vogt – nach ihm ist der Saal im Altbau benannt, er war hier lange Kompositionsprofessor –  seien hier genannt, die Rapsodia sinfonica von Joaquin Turina oder  – damals ein viel obskureres Werk als heute – das Klavierkonzert von Antonin Dvorak. Bis heute bekomme ich beim Gedanken an das Hauptthema aus seinen Händen eine Gänsehaut!

Doch all dies ist Schall und Rauch gegen den Klavierabend, der Paul Dans letzter werden sollte, bei dem er im frisch renovierten Hans Vogt-Saal Schuberts letzte Sonate in B-Dur und Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ spielte.

Zu erklären, in welcher Weise Paul Dan in der Schubert-Sonate an diesem Abend an letzten Dingen rührte, gliche dem Versuch, einen Kometen mit einem Schmetterlingsnetz einzufangen. Nie wieder – auch nicht bei einem Sokolov oder Richter, dem ich noch einige Male umblättern durfte – habe ich solche Klänge aus einem Flügel kommen hören, alleine der Übergang in die Durchführung des ersten Satzes war, als bliebe die Zeit für einen sehr, sehr langen Moment einfach stehen. 

Das Erlebnis dieses Abends hat mich selbst am Klavier sehr lange von Schubert ferngehalten – solche Höhen schienen ohnehin unerreichbar, doch das lange Warten hat sich gelohnt, kann ich doch heute an Schubert mit einer durch lange Jahre gewachsenen Gewißheit heran gehen, auch hier also wieder ein pädagogischer Erfolg auf sehr lange Sicht…..

Ich bin dankbar, daß ich diesen Abend erleben durfte, der mich im innersten berührt hat wie wirklich kein anderes Konzert seitdem, und unendlich dankbar für all die Musik, die ich durch ihn kennen und lieben lernen durfte.

Nach all diesen Jahren, für mich persönlich kann ich frei nach Uwe Johnson sagen: „Heute achtunddreißig Jahr“, möchte ich mich bei Paul Dan jedoch nicht nur bedanken, sondern ich möchte mich mit großem Respekt tief vor ihm verneigen mit einem Werk, mit dem sich ein besonderes Erlebnis verbindet:

Ich kam eines Tags in den Unterricht in der alten Heidelberger Hochschule – herrliche, große, immer angenehm temperierte Räume! – und fand Paul Dan am Klavier. Er übte ein mir völlig fremdes Werk, welches ich keinem Komponisten zuordnen konnte, daß mich jedoch in seiner ganz ungewöhnlichen Andersartigkeit völlig gefangen nahm, mich vor Begeisterung atemlos machte: Enescus 2.Suite Op.10.

Nachdem ich in einer monatelangen Suchaktion an die Noten gekommen war – wir reden von den 80ern, es gab noch kein Internet – schrak ich zunächst vor den enormen Anforderungen des Werks zurück. Erst Jahre später wagte ich mich daran, doch bis zum heutigen Tag kann ich die Klänge nicht vergessen, die Paul Dan mit größter Hingabe aus dem keineswegs hervorragenden Instrument zauberte. 

Hören sie also genau den Satz, den ich damals zum allerersten Mal hörte :

(Georges Enescu, Suite Nr.2 Op.10, 4.Satz Bourrée)

Bye, Geoffrey!

Geoffrey Tozer: Zum Tod eines grossen Pianisten.

Vor kurzem stiess ich in der Online-Ausgabe des „Australian“ auf einen Artikel von Stuart Rintoul: „The life and death of Geoffrey Tozer“. 

Tief betroffen las ich den traurigen Nachruf auf einen Mann dem das Leben schwer fiel und auf einen Pianisten, der wohl auch vielen seiner 

Kollegen ein Fremder, eine Randerscheinung blieb. Warum?

Zunächst die Biographie:

Geoffrey Tozer wurde 1954 in Indien geboren, kehrte als vierjähriger in die australische Heimat zurück und zeigte bald ein ungewöhnlich starkes musikalisches Talent.

Mit 9 Jahren trat er zum ersten Mal mit einem Orchester auf und führte bereits als zwölfjähriger (!) die 5 Beethoven-Konzerte öffentlich auf.

Nach Erfolgen auf internationalen Wettbewerben stürzte er sich ins weltweite Konzertleben und erlebte 1988 mit der Veröffentlichung der Klavierkonzerte von Nikolai Medtner seinen grossen internationalen Durchbruch.

Etwa zu dieser Zeit stiess auch ich zum ersten Mal den Namen Geoffrey Tozer und kaufte mir die CDs.

Welche Offenbarung! Zum einen natürlich die Entdeckung völlig zu Unrecht vergessener Konzerte der Spätromantik – welche Meisterwerke die 3 Konzerte von Medtner sind war damals beileibe noch nicht Allgemeingut, die Aufnahmen von Nikolai Demidenko, Dmitri Alexeev oder Geoffrey Douglas Madge kamen erst Jahre später und die alte Michael Ponti-Aufnahme des 3.Konzerts war schwer zu beschaffen.

Der Geniestreich des 1.Konzerts etwa, in dem Medtner sämtliche Formprinzipien nicht nur über den Haufen wirft sondern neu erfindet. Das ernste 2.Konzert, in dem Klavier und Orchester eng verzahnt miteinander um das thematische Material kämpfen, oder das glänzende, extrovertierte 3.Konzert.

All dies interpretiert von einem hervorragenden Orchester (Philharmonia), einem kompetenten Dirigenten (Neeme Järvi) und eben von Geoffrey Tozer, der in den folgenden Jahren bei Chandos in dichter Folge Platte um Platte herausbringen sollte, fast immer mit ungewöhlichem, eher am Rande liegenden Repertoire: Die Werke für Klavier und Orchester von Respighi, das 3.Konzert von Tschaikowsky, Konzerte von Rimsky-Korsakov, Roberto Gerhard und Rawsthorne, Klavierwerke von Busoni und Bartok und, natürlich, von Medtner, für Tozer eine Lebensaufgabe.

So nahm er neben 2 CDs mit Liedern, den Klavierkonzerten und den ersten zwei Violinsonaten (mit Lydia Mordkovitch) praktisch das gesamte Soloklavierwerk von Nikolai Medtner auf.

Diese Aufnahmen begleiten mich seit langer Zeit auf meinem iPod und immer wieder entdecke ich neues darin und kann nicht aufhören zu staunen: Über die komplexen Meisterwerke eines Komponisten, der bis heute ein Geheimtip geblieben ist und über seinen Interpreten.

Welch ein Wunder etwa die Aufnahme der beiden Sonaten Op.53: In der ersten (Sonata Romantica), noch eine der häufiger von Pianisten aufs Programm gesetzten, überrascht Tozer mit grosser emotionaler Zurückhaltung und bringt gerade auf diese Weise das Werk zu grosser Wirkung. 

Die zweite Sonate (Sonata minacciosa) zeigt einen verwandelten Pianisten: Tozer spielt, als ginge es um sein Leben. Gegensätze treibt er bis ins Extrem, so sehr er den Flügel in den langen virtuosen Strecken an die Grenzen seiner klanglichen Möglichkeiten treibt, so sehr berühren die lyrischen Passagen an der Grenze des Verstummens.

Dies vor allem war eine Qualität Tozers: Nie wirkt etwas nur gleichgültig heruntergespielt, immer ist eine Aussage in seinem Spiel zu hören, eine verletzliche innere Stimme die insbesondere in den leisen, lyrischen Passage aufs tiefste berührt.

Alles in allem eine Aufnahme die jeder Pianophile gehört haben sollte, nicht nur wegen des Pianisten sondern auch wegen des Repertoires, denn nirgendwo anders kann man Medtner in solcher Vollständigkeit hören.

Geoffrey Tozer starb nach einer langen Zeit des Rückzugs vom Podium im Oktober 2009 in Melbourne, im Alter von nur 55 Jahren .

Uns bleiben Seine Aufnahmen, das Vermächtnis eines ebenso unangepassten wie aussergewöhnlichen Musikers.

An dieser Stelle endete mein ursprünglicher Artikel, denn lange, sehr lange habe ich gezögert, meine persönliche Bekanntschaft, ja, vielleicht sogar Freundschaft mit Geoffrey Tozer zu offenbaren. Doch denke ich, es wirft zehn Jahre nach seinem Tod ein noch helleres Licht auf den großen Musiker, der er war.

Im Winter 2001 klingelte es Abends plötzlich unerwartet an der Tür des sehr abgelegenen Hauses in Schottland, in dem ich mit meiner damaligen, 2006 viel zu früh verstorbenen Lebensgefährtin lebte, wenn ich nicht in Deutschland war.

In der Tür stand ein sehr nasser und sehr durchgefrorener Mensch, den ich im ersten Moment nicht einmal erkannte: Der Pianist Geoffrey Tozer.

Begegnet waren wir uns in der vorangegangenen Woche in einem Notengeschäft in London, in dem wir verblüfft feststellten, beide auf der Suche nach entlegenem Randrepertoire zu sein („You‘re really looking for….Sorabji?“) – Pianisten unter sich. 

Nach einer Tasse Tee gegenüber tauschten wir Adressen aus, wohl beide in dem sicheren Gefühl, damit nur der Form Genüge getan zu haben.

Und nun stand er da, müde und genervt von der Suche nach der Adresse („Wo zum Teufel liegt dieses Haus eigentlich? Im Niemandsland? Ist Schottland schon unabhängig?“), die damit endete, dass ihn ein Ortskundiger mit dem Auto mitnahm, und sehr hungrig.

Hungrig, wie ich später merken sollte, nicht nur nach der Gott sei Dank gut bestückten Küche, sondern hungrig auch nach Musik. Denn so einsam das Haus auch lag, an Instrumenten mangelte es nicht und plötzlich war das Haus von Klängen erfüllt, die ich schon von CDs kannte, aber noch nie live gehört hatte: Klaviermusik von Nikolai Medtner.  Doch welchen müden Nachklang des wahren Geoffrey Tozer hatte ich gehört!

Das erste, dass ich warnahm, war sein Klang: Voll, rund und brillant, doch zugleich immer sensibel und fragil, als sei er sich seiner selbst nicht ganz sicher.

Selbst im explosivsten fortissimo war immer eine zweifelnde Zurückhaltung zu spüren, nie wurde eine Passage nur um der billigen Brillanz willen gespielt, immer war ein suchender Geist zu hören.

Sehr schnell kam in mir die Frage auf: Warum muss dieser grosse Pianist, der das Klavier wie nur ganz wenige zum Klingen bringt, so hart für seine Karriere kämpfen? 

Ganz und gar lassen sich solche Fragen im Musikbusiness nie klären und ich wollte auch im Gespräch nicht zu sehr in ihn drängen, doch ist durchaus ein Muster darin zu erkennen, dass große Musiker oft nicht unbedingt gut darin sind, ihre Karriere konsequent voranzutreiben.

Der Kaiser von Atlantis, oder: Ein naiver Mensch?

Der Kaiser von Atlantis, oder: Ein naiver Mensch?

Einleitung zur Uraufführung der Dokumentation der szenischen Aufführung in Ludwigshafen

von Kai Adomeit

Zunächst einige Zitate, in chronologischer Reihenfolge:

„Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen“

(Bibel, 2. Brief des Paulus an die Thessaloniker)

„Wir, wir Deutschen, waren besser als die anderen, freier im Denken, reiner im Fühlen, ruhiger und gerechter im Handeln. Wir, wir Deutschen, waren das wahrhaft auserwählte Volk“

(Viktor Klemperer, „Curriculum vitae“)

„Wollt ihr den totalen Krieg?“

(Joseph Goebbels, Sportpalastrede, 1943)

“Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Sozialdemokrat.

Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter.

Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.”

(Martin Niemöller)

„Hätte ich von den Schrecken in den deutschen Konzentrationslagern gewusst, ich hätte Der große Diktator nicht zustande bringen, hätte mich über den mörderischen Wahnsinn der Nazis nicht lustig machen können“

(Charlie Chaplin, Autobiographie)

„Wenigstens zwölf Jahre anständig gelebt“

(Hermann Göring, bei seiner Verhaftung 1945)

„So laut schlägt das Gewissen des Westens nicht, dass darunter die Waffenexporte litten“

(Hanns Dieter Hüsch 1986)

“Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen” […] “Nur wer arbeitet, soll auch essen.” 

(August Bebel 1883, undFranz Müntefering am 9. Mai 2006 in der Bundestagsfraktion der SPD zum geplanten „SGB II-Optimierungsgesetz“)

„Eichmann war von empörender Dummheit“

(Hannah Arendt)

 Meine persönliche Begegnung mit Viktor Ullmann liegt tatsächlich schon 30 Jahre zurück: Während meiner Studienzeit veranstalteten die Musikhochschulen in Baden-Württemberg das Festival „Den Opfern der Gewalt“ das all die Werke ins Gedächtnis zurückrief, die mit ihren Schöpfern den Weg in die Ghettos und Konzentrationslager gingen.

Hans Krasa, Gideon Klein, Pavel Haas, Miloje Milojevic, Albéric Magnard erlebten ihre musikalische Wiedergeburt und fassunglos musste man zur Kenntnis nehmen, welche musikalischen Schätze hier zu heben waren.  

Eine herausragende Rolle spielten aber auch damals schon Erwin Schulhoff, dessen Jazz-Etüden für Klavier kurz vorher beim Festival in Lockenhaus wie eine Bombe eingeschlagen hatten und eben: Viktor Ullmann.

Ein besonderes Problem damals: Es gab keine gedruckten Ausgaben. 

In diesem Sommer nun begegnete ich in Mannheim dem 2015 verstorbenen Dirigenten Israel Yinon, der mir einen Stapel Kopien in die Hand drückte: Viktor Ullmanns sieben Klaviersonaten.

Die ersten vier im Eigenverlag herausgegeben, die letzten drei jedoch Manuskriptkopien aus Theresienstadt auf immer schlechter werdendem Papier, kaum les- und entzifferbar.

Ich gestehe, dass mir die Bedeutung dieser Werke damals entging, auch das Ullmann-Revival der folgenden Jahre, am Leben gehalten durch den damaligen Rektor der Stuttgarter Musikhochschule Konrad Richter, ging weitgehend an mir vorbei.

In den folgenden Jahren gab die Decca noch eine CD-Reihe zum Thema „entartete Musik“ heraus, Opern wie „Der gewaltige Hahnrei“ von Berthold Goldschmidt oder „Das Wunder der Heliane“ erlebten ein kurzes Revival, aber im Grunde genommen ging man wieder zur Tagesordnung über.

Warum?

Nun, zunächst war da immer das Problem der Aufführungsmaterialien: Viele Werke waren rasch vergriffen und wurden nicht mehr neu aufgelegt, die Aufführungsrechte in Deutschland waren teuer, die Besetzungen dem Entstehungsort entsprechend exotisch und die Werke selbst teils sperrig, teils von haarsträubender Schwierigkeit.

Doch zurück zum „Kaiser von Atlantis“.

Zunächst einige Worte über den Komponisten: Viktor Ullmann wurde 1898 im früheren Österreich-Ungarn geboren. Beide Eltern konvertierten schon vor seiner Geburt um katholischen Glauben, sein Vater wurde im ersten Weltkrieg bis zum Oberst befördert und in den Adelsstand erhoben.

Früh wurde er, ein begabter Pianist, Kompositionsschüler von Arnold Schönberg. Mit 21 Jahren verließ er Wien und ging nach Prag, wo er sich unter der Anleitung von Alexander Zemlinsky als Komponist und Kapellmeister am Prager neuen deutschen Theater weiterentwickelte.

Seinen Durchbruch als Komponist erlebte er Ende der 20er Jahre. Lieder und insbesondere die Variationen Op.3 über ein Thema von Arnold Schönberg für Klavier machten seinen Namen schlagartig bekannt.

Nach Zwischenspielen als Kapellmeister in Zürich und Betreiber einer antroposophischen Buchhandlung in Stuttgart, musste er 1933 Deutschland verlassen und kehrte wieder nach Prag zurück, wo er seine erste große  produktive Schaffensphase erlebte.

Zahlreiche erfolgreiche Werke enstanden und wurden aufgeführt, ein eigener Personalstil im Spannungsfeld zwischen den üppigen Fin de siècle-Klängen Zemlinskys und der strengen Schule Schönbergs entwickelte sich.

Im Sommer 1938 hielt sich Ullmann drei Wochen in Dornach auf. Sein Versuch, in der Schweiz Fuß zu fassen, scheiterte allerdings nicht an der mangelnden Hilfsbereitschaft des Goetheanums, sondern an der restriktiven Schweizer Einwanderungspolitik, die ihm Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis verweigerte.

Im März 1939 wird Prag von Hitler besetzt. Ullmann kann noch im Sommer 1938 in London der Aufführung seines 2. Streichquartetts beim IGNM-Fest beiwohnen, er kann ein letztes Mal Dornach besuchen, die damalige Uraufführung von Goethes Faust aufnehmen, sogar ein kurzfristig anberaumtes Konzert bestreiten.

Ohne Erfolg bemüht er sich um Emigration. So gerät er in größte und bedrohliche äußere Schwierigkeiten, doch sein Schaffensdrang ist ungebrochen. Er organisiert (verbotene) Hauskonzerte, ist nach wie vor als Musikpädagoge tätig, gibt eine große Anzahl eigene Kompositionen im Selbstverlag heraus, unter ständiger Gefahr entdeckt zu werden, und es entsteht eine Vielzahl von weiteren Werken.

Seine zu spät begonnene Suche nach Auswanderungsmöglichkeiten bleibt ohne Erfolg.

Am 8. September 1942 wird Ullmann nach Theresienstadt deportiert. Dort wird er „Leiter der Sektion Musik der Freizeitgestaltung“, für die er – zusammen mit Gideon Klein, Pavel Haas und Hans Krása – komponiert und organisiert. Dort gründet er auch ein „Studio für Neue  Musik“.

Viktor Ullmann im Sommer 1944:

„Theresienstadt war und ist für mich Schule der Form. Früher, wo man Wucht und Last des stofflichen Lebens nicht fühlte, weil der Komfort, diese Magie der Zivilisation, sie verdrängte, war es leicht, die schöne Form zu schaffen. Hier, wo man auch im täglichen Leben den Stoff durch die Form zu überwinden hat, wo alles Musische in vollem Gegensatz zur Umwelt steht: Hier ist die wahre Meisterschule. Ich habe in Theresienstadt ziemlich viel neue Musik geschrieben, meist um den Bedürfnissen und Wünschen von Dirigenten, Regisseuren, Pianisten, Sängern und damit den Bedürfnissen der Freizeitgestaltung des Ghettos zu genügen. Sie aufzuzählen scheint mir ebenso müßig wie etwa zu betonen, dass man in Theresienstadt nicht Klavier spielen konnte, solange es keine Instrumente gab. Auch der empfindliche Mangel an Notenpapier dürfte für kommende Geschlechter uninteressant sein. Zu betonen ist nur, dass ich in meiner musikalischen Arbeit durch Theresienstadt gefördert und nicht etwa gehemmt worden bin, dass wir keineswegs bloss klagend an Babylons Flüssen saßen und dass unser Kulturwille unserem Lebenswillen adäquat war; und ich bin überzeugt davon, dass alle, die bestrebt waren, in Leben und Kunst die Form dem widerstrebenden Stoffe abzuringen, mir Recht geben werden.“

Ullmann war überzeugter Antroposoph und glaubte bis zum Schluß an das Gute im Menschen.

Am 16.Oktober 1944 wurde er, wie auch seine Komponistenkollegen Pavel Haas und Hans Krasa („Brundibar“) nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Bis zur Deportation erreichte seine Werkliste die Opuszahl 41 und enthielt u.a. vier Klaviersonaten, zwei Streichquartette, Liederzyklen nach verschiedenen Dichtern, Opern, ein Klavierkonzert und ein Saxophonkonzert. Der größere Teil dieser Werke ist verschollen; die Manuskripte gingen wahrscheinlich während der Besatzungszeit verloren.

Erhalten blieben 15 Drucke seiner zwischen 1936 und 1942 entstandenen Kompositionen, die Ullmann im Selbstverlag herausgegeben und einem Freund zur Aufbewahrung anvertraut hatte. Sie sind heute im Besitz der Karlsuniversität Prag.

Die Werke, die Ullmann im KZ Theresienstadt schuf – die Oper „Der Kaiser von Atlantis“, ein Streichquartett, drei Klaviersonaten, Liederzyklen übergab er in Theresienstadt seinem Freund, dem Literaturwissenschaftler Emil Utitz. 

Dieser konnte sie nach der Befreiung nach London mitnehmen. Von dort kamen sie nach langen Jahren endlich in den Besitz des Goetheanums Dornach. Ab den frühen 1990er Jahren sind sie, nach schwieriger Urheberrechts-Klärung, im Musikverlag Schott Mainz verlegt worden, sind teilweise sogar als Download erhältlich – moderne Zeiten!

Ullmann schuf drei Opern: „Der Sturz des Antichrist“ (1935), „Der zerbrochene Krug“ nach Kleist Op.36 und eben „Der Kaiser von Atlantis, oder die Tod-Verweigerung“.

1975 wurde der „Kaiser“ in Amsterdam uraufgeführt, in einer bearbeiteten Fassung, die sich nach dem Klavierauszug der letzten Probe in Theresienstadt richtete: Zahlreiche Kürzungen, Umstellungen und insbesondere Textänderungen legen den Schluss nahe, dass versucht wurde, die Oper selbst um den Preis der Verstümmelung aufzuführen. Die Schere im Kopf, der Versuch, den Text unverständlich zu machen ist deutlich zu erkennen. Zur Uraufführung kam es trotzdem nicht, das Werk wurde abgesetzt. 

1989 unternahm die Neuköllner Oper den ersten Versuch, die Originalgestalt des Werks wieder herzustellen, bis kurz darauf anhand eines originalen Rollenbuchs aus Theresienstadt eine Fassung erstellt werden konnte, die den Absichten des Komponisten wohl am nächsten kommt und so auch bei Schott verlegt ist.

Ullmann schrieb den „Kaiser von Atlantis“ für die Instrumente, die ihm zur Verfügung standen: Ein Streichquintett, Flöte, Oboe, Klarinette, Trompete, Saxophon, Schlagzeug, Tenor-Banjo/Gitarre, Klavier, Cembalo und Harmonium.

Ausserdem sechs Sänger, von denen einer eine Doppelrolle spielt.

Die Oper, deren Text von Ullmanns jungem Mithäftling Peter Kien stammt – zum Zeitpunkt der geplanten Uraufführung war er erst 24 Jahre alt, auch er wurde 1944 in Auschwitz ermordet –  ist nun etwas ganz besonderes. Seien Sie darauf gefasst, Dinge zu hören und zu sehen, die Sie nie wieder auf einer Opernbühne hören und sehen werden.

Der „Kaiser von Atlantis“ ist reinste, konzentrierte Musik, ohne jeglichen überflüssigen Flitter, ohne Verzierungen und Schnörkel, genau wie das Libretto. 

Peter Kiens Text muss im Kriegsjahr 1943 wie reine Wehrkraftzersetzung gewirkt haben:

König Overall der Einzige(!), „Ruhm des Vaterlandes, Segen der Menschheit, Kaiser beider Indien, Kaiser von Atlantis, regierender Herzog von Ophir und wirklicher Truchseß der Astarte…..“ und ich bin nach lange nicht fertig! erklärt den totalen Krieg aller gegen alle und rühmt seine Vertrautheit mit seinem Aliierten, dem Tod. 

Die Musik dazu wird Ihnen vertraut vorkommen: Es handelt sich um das Deutschlandlied, aber keine erste Strophe, kein „Deutschland über alles…“, keine Sorge!

Die bekannte Melodie wird nach Moll verfremdet und scheint den Text eher zu konterkarieren, als zu unterstützen.

Der Tod, der kurz zuvor auf sein glorreiches Dasein seit Anbeginn der Zeiten zurückgeblickt hat, fühlt sich verhöhnt und herabgesetzt und kündigt seine Zusammenarbeit mit den Menschen auf: Ab sofort kann kein Mensch mehr sterben.

Das mag wie die Erfüllung eines alten Menschheitstraums klingen, beim zweiten Hinsehen aber erweist es sich als die größte nur denkbare Katastrophe: Mitten im Krieg „ringen Tausende mit dem Leben, um endlich sterben zu können.“

Overall ordnet Hinrichtungen an, die vollzogen werden – und vollkommen sinnlos sind, weil die Gehenkten einfach nicht sterben können!

In einem Versuch, wie man heute sagen würde, Fake News zu schaffen, erklärt König Overall, er habe seinen Soldaten das Geheimmittel des ewigen Lebens geschenkt……….aber es ist umsonst, die Soldaten erkennen die Sinnlosigkeit ihres Tuns und beginnen aufeinander zuzugehen…

Das Sujet der Tod-Verweigerung taucht übrigens 50 Jahre später nochmals an ganz unerwarteter Stelle auf, in Terry Pratchetts Fantasy-Roman „Alles Sense“.

Weil Gevatter Tod (genau so, wie man sich die Figur vorstellt, Knochenmähre, Umhang, Sense) sich plötzlich die Sinnfrage stellt, schicken ihn seine Auftraggeber, die Revisoren, in den Ruhestand und er selbst wird sterblich. Er nutzt seine verbliebene Zeit, um endlich zu erfahren, was es bedeutet, Zeit zu haben – und sie gegebenenfalls zu verschwenden. 

Mittlerweile zeitigt die Abwesenheit des Todes unangenehme Nebenwirkungen: Die Lebensenergie alles Verstorbenen staut sich an und beginnt die Welt des Unbelebten zu durchdringen. Hosen laufen ihren Besitzern davon, Sofas machen sich selbständig, Nägel und Schrauben verweigern den Dienst. 

In einem epischen Sensenduell mit dem neuen Schickimicki-Tod, der mit einer polierten Krone, Blitz und Theaterdonner zum High Noon erscheint…..aber ich will Ihnen das Lesevergnügen nicht nehmen!

Auch Peter Kien verzichtet keineswegs auf Humor:

Harlekin: Ich wechsle die Tage nicht mehr täglich, seit ich‘s mit dem Hemd nicht tun kann und nehme nur einen neuen, wenn ich frische Wäsche anziehe

Tod: Dann musst Du ja tief im vorigen Jahr stecken

Oder auch:

Tod: (zu Harlekin) Du bist kaum dreihundert Jahre alt, und ich mache dieses Theater mit, seit die Welt steht………Du hättest mich sehen sollen!

Die Musik……Viktor Ullmann hat eine Parabel an der Grenze zwischen Kurzoper und Nummernrevue geschrieben, verfolgt jedoch einen ganz klar erkennbaren musikalischen Plan: Jede Figur hat ihr eigenes Motiv, welches sie durch das ganze Werk begleitet.

Doch vermeidet Ullmann hier die offensichtlichen Klischees: Overall klingt eher verzweifelt als herrschaftlich und der Tod hat mehr als nur eine kleine Schwäche für Foxtrot und Swing!

Schließlich, in einer grotesken Parodie von Musik und Text:

„Schlaf, Kindlein schlaf: Ich bin ein Epitaph.“

Für mich selbst einer der Höhepunkte, mitten im Stück, die Arie des Bubikopf, deren musikalische Begleitung fast stillzustehen scheint:

Ist‘s wahr, daß es Landschaften gibt,

Die nicht von Granattrichtern öd sind?

Ist‘s wahr, daß es Worte gibt,

Die nicht schroff und spröd sind

Ist‘s wahr, daß es Wiesen gibt,

Die voll Buntheit und Duft sind

Ist es wahr, daß es Berge gibt, die blau von strahlender Luft sind?

Es sei daran erinnert: Geschrieben von einem 24jährigen, der der sicheren Vernichtung ins Auge blickt.

Schließlich, nachdem die Situation sich auf das äußerste zugespitzt hat und die Kommandoketten beginnen, zusammenzubrechen, bietet der Tod an zurückzukehren, stellt jedoch, bevor er versöhnt sein wird,  eine Bedingung:

Overall muss als erster den neuen Tod sterben……

Ich würde gerne noch ein wenig auf die Produktion eingehen, die ich nicht nur während der Orchesterproben, sondern auch durch einige der vorhergehenden szenischen Klavierproben begleiten durfte.

Mir war die Existenz des „Kaisers“ schon lange bekannt, das Werk selbst hatte ich ein einziges Mal zuvor durch die Decca-Aufnahme gehört, aber nicht wirklich wahrgenommen.

In den Proben nun traf mich die Musik in Verbindung mit den Texten wie ein Hammer! Eine Offenbarung in Tönen!

Mag sein, daß ich da sehr dünnhäutig bin, da meine eigene Familie von den Nazis fast völlig vernichtet wurde, aber ich habe auch bei meinen Kollegen wahrgenommen, wie sie während der Proben mehr und mehr in den Bann des Werks gerieten. 

Das ist keineswegs selbstverständlich, auch der Musikerberuf besteht durchaus hin und wieder aus Routine oder, auch dies, mühevoller Auseinandersetzung mit einem ungeliebten Werk. 

Doch ich glaube, ich kann auch für meine Musikerkollegen von der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz sprechen wenn ich sage: Diese Produktion war etwas ganz besonderes, ein berührendes, aufwühlendes Erlebnis, bedingt auch durch den ungewöhnlichen Spielort.

Natürlich auch durch die Zusammenarbeit mit dem großen Theatermann Hansgünther Heyme: Es war ein echtes Erlebnis, das Zusammentreffen von Können, Wissen und Kreativität in seiner geduldigen, konzentrierten Regiearbeit mitzuerleben, Ausgangspunkt ehrlicher Bewunderung und – auch dies! – tiefer persönlicher Bewegung.